0560 - Der Rattenmensch
beim Waschen anbehalten zu können. So saßen meine Beretta und der Dolch noch immer versteckt.
Auch das Kreuz hatte ich rechtzeitig genug verbergen können, trug es aber nun wieder vor meiner Brust.
Man ließ uns nicht viel Zeit für das Frühstück. Die Wärter scheuchten uns hoch.
Dann sah ich den Direktor. In seiner geschniegelten Uniform wirkte er wie ein Operettenfürst, auch wenn seine Kleidung keinen Glamour verbreitete.
Er schaute sich den Abmarsch an.
Ich hatte mich zusammen mit Janos in eine Gruppe gestellt, die in der Waschküche arbeitete. Sehr dicht mußte ich an dem Direktor vorbei. Er nickte mir kurz zu. Ich lächelte knapp, ein Zeichen, daß alles in Ordnung war.
»Wer hat Aufsicht?«
»Manchmal kommt Hadek.« Janos gab die Antwort ohne sonderliche Begeisterung.
»Auch das noch.«
»Keine Sorge. Er wird sich hüten.«
»Wovor?«
Torday grinste nur.
Die Waschräume lagen unter dem normalen Hausniveau in den großen Kellerräumen. Eine alte Steintreppe führte in die milchige Tiefe, in der sich die Dunstschwaden zwischen den dicken Steinmauern hielten wie Fahnen, die nicht abreißen wollten.
Die großen Kessel standen auf breiten, nicht sehr hohen Öfen. Sie wurden mit Kohle beheizt. Zwei Gefangene schleppten Kohlen. Wie ich von Janos erfuhr, bedeutete dies Strafdienst. »Das wirst du irgendwann auch noch.«
»Mal sehen.« Ich wunderte mich über seine Haltung mir gegenüber. Er hatte die Kraftprobe am gestrigen Abend nicht gewonnen, aber Haß oder Rachsucht ließ er nicht erkennen. Oder führte er möglicherweise etwas anderes im Schilde?
Die Waschküche besaß große Ausmaße. Dieser Keller glich einem Gewölbe mit verschieden hohen Decken, die von Pfeilern gestützt wurden. Durch das Kunstlicht zogen die trägen Schwaden. Das Wasser in den Kesseln kochte. Es stank nach Lauge, Seife und feuchter Wäsche. Ein guter Abzug existierte nicht.
Bevor die Wäsche in die Kochkessel kam, mußte sie abgeholt werden. Hadek führte mich zu einem gewaltigen Wäscheberg, wo vier andere Gefangene dabei waren, ebenfalls Karren mit Wäschestücken vollzuladen. Zu begreifen hatte ich kaum etwas. Die Wäsche mußte nur in die Karren geladen werden. Janos und ich begaben uns an die Arbeit. Die vier Mitgefangenen bedachten mich mit kalten Blicken.
Angesprochen wurde ich nicht. Wahrscheinlich hatte es sich herumgesprochen, daß ich Ausländer war.
Manchmal erschien einer der Aufpasser. Er tauchte dann wie ein Gespenst aus den feuchten Schwaden auf, ging um uns herum, schaute nur und verschwand wieder.
Zwei Gefangene jeweils waren für einen Wäschewagen verantwortlich. Die Kleidung wurde in den Bottich geworfen und gekocht.
Mit langen Holzstangen mußten wir die Wäsche umrühren.
Eine Arbeit, die Kraft kostete. Sie war nichts gegen die Kraft, die wir aufwenden mußten, um die tropfnassen Wäschestücke aus der Lauge zu holen, sie in einem anderen Becken mit eiskaltem Wasser durchspülen, um sie anschließend durch die Mangel zu drehen.
Da wußte ich schon nach wenigen Minuten, was es heißt, kalte Finger zu bekommen. Wer das jahrelang machen mußte, kam an Rheuma oder Gicht einfach nicht vorbei.
Andere Gefangene fuhren die Wäschestücke weg, um sie durch altertümliche Mangeln laufen zu lassen.
Ich wunderte mich trotzdem, wie schnell die Zeit bis zum Mittag vorbei war. Das Tageslicht hatte ich nicht gesehen. Die Kalfaktoren kamen mit dem Essen.
Wieder bekamen wir die komische Pampe. Ich probierte sie und schluckte das Zeug. Besser als gar nichts. Essen mußte man.
Janos beobachtete mich. Er hockte mir gegenüber auf einem Stein.
Wir hatten uns von den anderen abgesondert und hockten im Halbdunkel. Den Gestank von Lauge und feuchter Wäsche würde ich vorerst nicht aus der Nase bekommen.
Torday schaute mich an.
»Ist was?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht, aber hast du sie gesehen?«
»Wen denn?«
»Die Ratten.«
»Nein!«
»Gut.« Ohne einen weiteren Satz zu sagen, leerte er seine Schüssel und kratzte sie noch aus.
Ein schriller Pfiff zeigte an, daß die Pause vorbei war. Wir standen auf, und ich mußte mir eingestehen, daß diese Arbeit nichts für mich war. Durch das Schleppen der nassen Wäschestücke bekam ich in den Schultern einen Muskelkater.
Trotzdem ging es weiter. Hadek ließ sich nicht blicken, was mir recht war.
Die Lauge mußte gewechselt werden. Dafür wurden die Gefäße einfach umgekippt.
Das Wasser schwappte auf den Boden und fand seinen Weg zu den
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