0561 - Leichenwagen zur Hölle
diese Bulldogge nicht entfernen, Doc?« fragte ich freundlich.
»Ja, ist gut. Geh bitte, Mac, und warte draußen.«
Der Pfleger verschwand. Mich bedachte er dabei mit sehr bösen Blicken. Stühle waren genug vorhanden. Suko und ich setzten uns der Frau gegenüber, der Arzt hielt sich im Hintergrund. Wir hörten ihn sogar gähnen.
Sehr bedächtig hob sie den Kopf, um uns anschauen zu können.
Nichts veränderte sich in ihrem Blick. Die Augen blieben nach wie vor ohne jeglichen Glanz.
Ich sagte unsere Namen.
Mrs. Dobson hob die Schultern. Ihre Hände hatte sie auf das harte Holz der Stuhllehnen gelegt und umklammerte mit den Fingern die Kanten.
»Wir sind wegen Ihres Sohnes gekommen.«
Dieser eine, von mir gesprochene Satz alarmierte die Frau. Plötzlich durchlief ein Zittern ihre Gestalt. Jetzt schaute sie uns direkt an.
Lag Leben in ihren Augen? Nein, eher eine gewisse Irritation. »Was wollen Sie von ihm?«
»Er ist tot, nicht?« fragte Suko.
Die Antwort ließ auf sich warten. Dann aber sprudelte es aus ihr hervor, als hätten wir in ihrem Innern eine Quelle erschlossen. »Alle sagen, er sei tot. Ich behaupte das Gegenteil. Robby ist nicht tot, er lebt, ich weiß es genau.«
»Woher?«
»Weil ich ihn gesehen habe. Er ist zu mir gekommen…«
»Aber Sie haben ihn doch begraben.«
»Das stimmt. Ich habe an seinem Grab gestanden und geweint. Er ist verbrannt. Ich wollte seine Leiche nicht sehen, doch ich sage Ihnen, daß er lebt. Ich weiß es genau, er ist nicht tot. Hin und wieder kommt er und besucht mich…«
»Wie sieht er dann aus?«
Mrs. Dobson holte tief Luft und drückte ihren Kopf zurück. »Wunderschön sieht er aus«, flüsterte sie. »Er ist einfach wunderbar, ein kleiner Engel.«
»Das wollten wir eigentlich nicht wissen, Mrs. Dobson. Uns interessiert, wie er gekleidet ist.«
»So wie damals.« Stolz klang in ihrer Stimme. »Als er zum letztenmal ging. Ich hatte ihm schicke Sachen gekauft. Eine schwarze Jacke, eine moderne grüne Hose. Er ist darin ein richtiger kleiner Mann gewesen, als er mich verließ…«
Ich hatte einen kalten Schauer bekommen. So wie Mrs. Dobson ihren Sohn beschrieben hatte, war er mir begegnet.
»Und weiter?«
»Er kommt manchmal zu mir. In der Nacht, auch schon am Tage. Er kann keine Ruhe finden, der Arme.« Sie begann zu weinen und wischte mit gekrümmten Fingern durch ihre Augen.
»Sprechen Sie mit ihm?«
»Ja.«
»Was fragen Sie ihn dann?«
»Wenig. Er redet. Und er berichtet davon, daß er keine Ruhe finden kann. Er wird hin- und hergezerrt. Es ist furchtbar. Ein Teil des Jenseits will ihn nicht haben. So lebt er in einer Zwischenwelt und hat Furcht vor den Dämonen mit den Zangen…«
»Auch vor einem Auto?«
»Ja, einem großen schwarzen Wagen, in den man oft Särge hineinstellt.«
»Was wollen die Männer mit den Zangen von ihm?«
»Das hat er mir nie gesagt. Er sprach davon, daß für manche Seelen das Jenseits verschlossen ist. Mich hat er um Hilfe gebeten, aber ich kann nichts für ihn tun. Man hat mich eingesperrt, wie Sie selbst sehen. Mister.«
»Ja, leider.«
Mrs. Dobson beugte sich plötzlich vor und faßte nach meinen Händen. »Bitte, Sir, tun Sie etwas für ihn. Tun Sie was für meinen Sohn. Sie haben doch nicht ohne Grund nach ihm gefragt. Kennen Sie ihn? Haben Sie ihn auch gesehen?«
»Er ist mir begegnet.«
»Was?« schrie sie und wollte aufspringen. Ich drückte sie zurück.
Als der Arzt näher kam, schickte ihn Suko wieder weg. »Was ist denn? Wie geht es ihm?«
»Er hat Schwierigkeiten. Man jagt ihn tatsächlich. Dieser große Leichenwagen existiert. Auch wir haben ihn gesehen. Aber wir möchten von Ihnen gern wissen, wo er sich aufhält. Oder wandert er nur durch Raum und Zeit?«
»Das wohl nicht.«
»Dann gibt es einen Ort?«
»Tod und Leben sind ein langer Fluß«, sagte sie leise. »Alles fließt, alles ist in Bewegung. Er sprach von einem Fluß, von der Quelle, von einem Haus.«
»Wie hieß der Fluß?«
»Er nannte ihn den Fluß der Seelen.«
»Und das Haus?«
»Es ist eine alte Herberge, wo sie warten.«
»Mehrere?«
»Er ist nicht allein. Dahin haben sie sich verkrochen. Sie warten auf den nochmaligen Tod oder die Erlösung. Sie nennen den Ort Hell’s Station . Sie verstehen?«
»Und wie. Dort können wir ihn finden?«
»Ich glaube. Wenn ich hier herauskäme, wäre ich selbst hingefahren. So aber muß ich bleiben.«
Ich drückte ihr die Hände. »Sie haben uns sehr geholfen, Mrs. Dobson, danke.«
Die
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