0562 - Mordnacht in Paris
glotzte ihn an. Verlegen strich sie durch das gefärbte Haar. »Was hast du da gesagt? Das sollen Kugeln gewesen sein?«
»Die Bullen schossen aus Schnellfeuergewehren auf mich.«
Cilly lachte. »Wenn das so ist, hättest du längst tot und verscharrt sein müssen.«
Seine Augen bekamen einen türkisfarbenen Schimmer, als würde hinter ihnen Feuer brennen. »Ich sagte dir schon, daß ich längst tot bin. Der Teufel hat mich wieder zum Leben erweckt. Mich, den Selbstmörder. Ich habe mich von der Kirche stürzen wollen. Auf dem Weg nach unten trat er mit mir in Kontakt.« Cilly bekam in den nächsten Minuten eine Geschichte zu hören, die sie einfach nicht glauben konnte. Das Gegenteil zu beweisen, war ihr ebenfalls nicht möglich.
Sie zwinkerte einige Male mit den Augen, schlug auf ihre breiten Schenkel, räusperte sich, hob die Schultern und suchte vergebens nach passenden Worten.
»Was ist denn, Cilly?«
»Das glaube ich nicht.«
»Du willst Beweise?«
»Nein – ja.«
Er stand auf, war etwas unsicher auf den Beinen, ging zum alten Küchenschrank, zog die mittlere Schublade auf, griff hinein und holte ein Küchenmesser hervor. »Du wolltest Beweise, Cilly. Gut, ich werde sie dir geben.«
»Was hast du vor?«
»Das wirst du sehen. Gib genau acht?«
Cilly verlor zwar nicht gerade die Nerven, wünschte sich jedoch, ohnmächtig zu werden, als sie das Grauenvolle mit ansehen mußte.
Der Bucklige tötete sich selbst. Er stach mehrere Male zu, aber es passierte nichts. Aus den tiefen Wunden rann kaum Blut, denn sie schlossen sich rasch wieder. Nur Flecken – rötlich und blau schimmernd – blieben auf seinem Körper zurück.
Als wäre nichts passiert, legte er das Messer wieder in die Schublade und rammte sie zu.
Cilly saß da, wie vom Donner gerührt, und wischte über ihre Augen. Sie konnte es einfach nicht fassen, daß jemand zu so etwas Schrecklichem fähig war.
Ohne daß sie es wollte, rannen Tränen über ihre Wangen. Die Lippen zuckten, die Kehle saß zu, der Bucklige aber lächelte. »Soll ich es dir noch einmal vorführen, Cilly?«
»Nein, laß es bitte.«
»Schade, denn ich habe das Gefühl, daß du mir noch immer nicht glaubst. Es stimmt, ich stehe unter dem Schutz des Teufels, und wir beide haben Großes vor.«
»So?« hauchte Cilly. »Großes?«
»Ja, wir beide.« Er lachte leise und kichernd. »Das heißt, ich habe es mir anders überlegt. Ich erinnerte mich an dich, denn du hast damals stets zu mir gehalten, wo mich alle anderen verdammten, verlachten und sogar bespuckten.«
»Was hat das jetzt noch für eine Bedeutung?« stotterte sie.
»Eine sehr große sogar. Ich werde gewisse Dinge regeln müssen und möchte, daß du dabei bist. Wir beide werden sehr bald schon über Montmartre herrschen.«
Cilly lachte. Allerdings nur kurz. Sie sah das verzerrte Gesicht des Besuchers und hielt den Mund.
»Du mußt mir glauben. Wir werden über Montmartre herrschen. Hier blühen viele Dinge im verborgenen, über die ich früher auch nicht Bescheid wußte. Erst der Satan hat mich eingeweiht.«
»So – wo denn?«
»Ganz einfach. Du brauchst nicht weit zu gehen. Geheimnisvolle Gräber auf dem Friedhof werden uns wie magisch anziehen. Sie sind ungemein wichtig, denn auf dem alten Totenacker begegnen sich die Vergangenheit und die Zukunft.«
»Das verstehe ich nicht.«
Er winkte scharf ab. »Ist auch nicht nötig, Cilly. Es zählt nur, daß ich es begreife.«
»Und deine Taten? Die schrecklichen Morde? Ich habe die meisten Mädchen gekannt. Ich habe um sie geweint. Soll das alles vorbei sein? Soll ich dich als Mörder akzeptieren?«
Sein Mund zeigte plötzlich einen grimmigen Ausdruck. »Du hast um sie geweint? Um diese Huren, die mich ausgelacht haben? Wie konntest du Tränen vergießen?«
»Es war damals anders.«
»Nein, Cilly, es war nicht anders. Ich will dir noch etwas sagen. Du hast mich gesehen, du kennst mein Geheimnis.«
»Na und?«
»Du bist ein Mitwisser.«
Cilly war lange genug im Geschäft, um sich auszukennen. Als Dirne hatte sie oft genug mit Ganoven zu tun gehabt. Zuhälter und andere Verbrecher hatten sich die Klinke in die Hand gegeben. Cilly wußte also, wie der Hase lief.
»Bon, ich habe verstanden. Ich bin also eine Zeugin. Du hast mich eingeweiht, und mir bleibt nichts übrig, als dir die Treue zu halten und dich nicht zu verraten.«
»So ist es.«
Sie räusperte sich. »Was soll ich tun?«
»Zunächst nichts. Es muß alles so weitergehen. Du darfst mit jedem
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