0568 - Die Braut des Wahnsinns
Hausmeister, der in seiner Loge hockte und telefonierte. Als ich näher kam, konnte ich Gesprächsfetzen verstehen. Der Mann stritt sich mit irgendeiner Person herum.
Er sah mich, beendete das Gespräch und drückte seinen Kopf vor.
»Na, was gibt es, Mr. Sinclair? Sind Sie krank oder haben Sie schon Feierabend?«
Er war neugierig. »Keins davon. Ich möchte von Ihnen etwas wissen, Meister des Hauses.«
»Was denn?« Er stand auf und putzte seine Handflächen am grauen Stoff des Kittels ab, als wollte er sie blankscheuern.
»Es geht um ein Päckchen, ein kleines Paket, das für mich abgegeben sein soll.«
»Bei mir nicht.«
»Ich weiß, es soll vor meiner Tür liegen.«
»Der Mann verlor seine Gesichtsfarbe. Eine… eine Bombe!« stotterte er und ging zurück, wobei er den Drehstuhl noch mitschob.
»Das ist keine Bombe. Haben Sie eine fremde Person gesehen, die mit dem Lift hochgefahren ist?«
»Weiß ich nicht. Es herrschte viel Betrieb. Ich war auch nicht immer hier in der Loge.«
»Dann kann es durchaus sein, daß jemand bis zu meiner Wohnungstür gelangt ist?«
»Bestimmt.«
»Danke, das wollte ich nur wissen.«
»Hören Sie, Mr. Sinclair! Sollen wir nicht doch lieber die Experten von der Feuerwehr…?«
»Nein, das ist nicht nötig.« Ich rief ihm die Antwort vom Lift her zu.
Die Kabine war schnell da, ich stieg ein und zischte durch den Schacht. Einen Videofilm hatte man mir vor die Tür gelegt. Ich fragte mich nach dem Grund. Den ›Absender‹ hätte ich natürlich auch gern gewußt.
Ich hatte auf der Fahrt die Augen offengehalten und mich auch nach Verfolgern umgesehen. Aufgefallen war mir nichts. Dem Anrufer war es sicherlich allein um den Film gegangen, der tatsächlich vor meiner Tür lag.
Ein Päckchen in Kassettengröße. Eingewickelt in billiges Packpapier, das an verschiedenen Stellen durch Klebestreifen zusammengehalten wurde. Das war alles.
In der Wohnung schien der unbekannte Bote nicht gewesen zu sein. Jedenfalls entdeckte ich am Schloß keinerlei Kratzspuren. Ich betrat die Wohnung mit der Beretta in der Hand und erlebte keine unangenehme Überraschung.
Im Wohnzimmer legte ich den Film auf den Tisch, durchsuchte die anderen Räume, fand sie leer und befreite die Kassette vom Packpapier, das ich zusammengeknüllt in einen Sessel warf.
Ich schaute mir die Kassette genau an und konnte an ihr nichts Außergewöhnliches erkennen. Eine völlig normale Kassette im VHS-System. Ich schob sie in den Recorder und pflanzte mich, die Fernbedienung in der Hand, vor die Glotze.
Auf der Mattscheibe begann das Flimmern, dann lief eine Zahlenfolge ab, ein Titel erschien nicht, dafür die ersten Bilder.
Menschen sah ich.
Sie befanden sich in einem Zimmer, waren aber nicht sehr deutlich zu erkennen. Ich rechnete damit, daß sie bewußt so fotografiert worden waren, damit sie nicht erkannt werden konnten.
Eine Person allerdings schob sich aus dem Hintergrund hervor. Sie hatte sich sowieso von den anderen abgehoben, wegen ihrer weißen Kleidung. Nun schob sie sich durch die Menge, die klatschend die Hände bewegte und ihr Platz schuf.
Die Person schritt langsam durch die Gasse und erschien deutlicher auf dem Bildschirm.
Ich konnte erkennen, daß es sich um eine Frau handelte, die ein langes, weißes Kleid trug, das an ein Brautkleid erinnerte.
Ich begriff gar nichts mehr. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, ein Horror-Video zu sehen, statt dessen präsentierte man mir eine Hochzeitsgesellschaft, bei der die Braut natürlich im Mittelpunkt stand.
Die Kamera erfaßte sie in der Totalen. Bei jedem Schritt schwang der weite, weiße Rock wie eine Glocke. Ich konnte mich auf ihr Gesicht konzentrieren und stellte fest, daß es keinen glücklichen Ausdruck besaß. So sah eine Braut eigentlich nicht aus.
Zwar lächelte sie, nur wirkte dieses Lächeln äußerst verkrampft und aufgesetzt.
Mit der Person schien einiges nicht zu stimmen. Ich war gespannt, wie der Film weiterging.
Noch immer war von den übrigen Hochzeitsgästen kaum etwas zu sehen. Ihre Gestalten lösten sich beinahe auf. Ich stellte nur fest, daß sie dunkel gekleidet waren. Männer und Frauen hielten sich im Hintergrund auf und ließen allein der Braut den Vortritt.
Bisher war der Film ohne Ton gelaufen. Plötzlich schallten mir Stimmen aus den beiden Lautsprechern des TV-Apparates entgegen.
Sie waren laut, aber nicht verständlich. Ein Gemurmel, mal ein Lachen und kaum eine Klangveränderung.
Wer sich diesen Film anschaute,
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