0568 - Die Braut des Wahnsinns
klappte er den Koffer wieder zu und richtete sich auf.
»Kommst du, Simon?«
»Aber sicher, Darling. Bist du denn schon so weit?«
»Und ob.«
»Dann bin ich in einer Sekunde bei dir.«
»Angeber!« rief sie laut, um das Rauschen der Dusche zu übertönen. Wenn du wüßtest, dachte er, während er aus seiner Kleidung stieg. Es ist alles einfach, wenn die richtigen Leute zusammenkommen. Er legte die hellgraue Lederjacke und den schwarzen Pullover übereinander auf die Sitzfläche der Bank. Seine Jeans saßen schon provozierend eng. Er schälte sich förmlich aus den Hosen hervor, um anschließend die Slipper wegzuschleudern. Bevor er ging, warf er noch einen Blick auf den Koffer. Er trug ihn stets bei sich. Niemand hatte er jemals erzählt, was sich darin befand. Es gab Menschen, die über den Inhalt spekulierten. Sollten sie, es machte ihm nichts aus. Über die wahren Hintergründe würde er nie ein Wort verlieren.
»Es ist herrlich unter dem Wasser!« rief Wendy. »Einfach wunderbar, komm schon.«
Der Raum war nicht in mehrere Duschkabinen aufgeteilt. Er bestand praktisch aus einer Dusche. Unter der Decke lief die Wasserleitung entlang. In regelmäßigen Abständen schauten die Dreiecke der Duschtassen hervor. In den halben Rundungen befanden sich die Löcher. In Bauchhöhe angebrachte Mischbatterien sorgten für die individuelle Temperatur.
Wendy hatte die Dusche so eingestellt, daß ein weiter Wasserschleier aus den Düsen lief. Der Mann sah sie darunter wie hinter einem Vorhang. Auch in ihrer jetzigen Haltung konnte sie ihren tänzerischen Beruf nicht verleugnen. Sie hatte die Arme erhoben, den Rücken durchgebogen, den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen. So gab sie sich voll und ganz den Wasserstrahlen hin.
Wendy schrak zusammen, als sie seine Hand auf ihrem Bauch spürte. Fast wäre sie noch ausgerutscht. Er aber hielt sie fest. Es war das, was Wendy wollte. Sie umklammerte Simon Arisis, als wollte sie ihn nie loslassen. Ein langes Leben lang nicht…
***
Den Koffer hatte Simon Arisis zurückgelassen. Der rechteckige Kasten aus Aluminium stand auf der Bank. Er wirkte unscheinbar, denn er hatte den Glanz des Neuen längst verloren. Kein Aufkleber zierte den Deckel, der Griff sah abgewetzt aus.
Dennoch hütete der Mann den Koffer wie einen Schatz. Nur er und eine andere Person wußten, woraus der Inhalt bestand. Daß der Inhalt lebte, war zu hören.
Wer nahe an den Koffer herangetreten war, der konnte durchaus das Kratzen und Trappeln vernehmen. Die kleinen Füße der Tiere bewegten sich unkontrolliert. Man hatte die Ratten eingesperrt, was sie haßten, denn die Freiheit war ihnen lieber.
Nur hin und wieder ließ er sie frei. Dann aus bestimmten Gründen. Die Motive bestimmte er selbst.
Doch die Ratten versuchten es immer wieder. Sie waren zusammengepfercht worden. Wären sie hungrig gewesen, hätten sie sich gegenseitig zerfleischt, so aber kam es nur vor, daß sie sich hin und wieder bissen und ansonsten versuchten, das Gefängnis zu verlassen.
Auch an diesem Tag war es nicht anders. Nur wenn sie spürten, daß sich ihr Herr und Meister nicht in der Nähe befand, reagierten sie dermaßen aggressiv.
So gut es ging, versuchten sie zu springen. Sie drückten ihre Körper in die Höhe und wuchteten sich gegen die Unterseite des Deckels, um ihn aufspringen zu lassen.
Es klappte auch diesmal nicht. Schläge hieben gegen das Material, und die Ratten, die niemals aufgaben, probierten es immer wieder.
Irgendwann mußte er doch aufplatzen.
Jede Ratte wollte es als erste geschafft haben. Sie bewegten sich hektisch. Kein Tier nahm auf das andere Rücksicht. Sie bissen, sie gaben schrille Laute ab und wuchteten ihre Körper immer wieder gegen den Deckel, der plötzlich aufsprang.
Woran es lag, konnte höchstens der Besitzer sagen. Ob der sich allerdings daran erinnerte, war fraglich.
Jedenfalls war der Koffer offen, und die Ratten hatten endlich freie Bahn. Ein halbes Dutzend der graubraunen Tiere krochen aus dem Koffer und verteilten sich im Umkleideraum…
***
Sie hatten das Wasser abgestellt, aber Wendy lag noch immer in seinen Armen. »Heiraten!« flüsterte sie versonnen, »wir werden bald heiraten. Du wirst mein Mann werden…«
»Natürlich, Liebes…« Er küßte ihr die Wassertropfen von den Schultern, und sie schauderte zusammen. Wendy ließ es geschehen, daß er sie dorthin trug, wo die großen Badetücher bereitlagen, in die sie sich einwickeln konnten.
Simon sorgte zunächst
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