0568 - Die Braut des Wahnsinns
gerichtet.
»Sinclair«, flüsterte sie kratzig. »Sinclair, hör mir genau zu und vergiß meine Worte nicht. Die Zeit wird kommen, wo Draculas Blut die Vampirpest über die Welt bringen wird. Hütet euch vor Dracula!« brüllte sie und breitete die Arme aus. »Hüte dich vor Dracula, Sinclair!« Dann lachte sie auf, griff in die Falten ihres Gewandes und riß einen Dolch hervor.
Ich zuckte zurück, als sie auf mich zusprang. Ihr Arm wurde lang und länger, die Klinge hätte mich erwischt, ich schoß, traf auch, hörte ihren Schrei und sah, wie sie sich auf der Stelle drehte, aber nur, um sich selbst die Klinge in den Hals zu stoßen.
Ich war schneller.
Der Treffer hätte ihr fast den Arm gebrochen. Besser so etwas als der Tod. Die Klinge erreichte den Hals nicht, wirbelte durch den Hieb zur Seite und kratzte nur über ihre Schulter, wo sie eine tiefe Wunde hinterließ.
Starr glotzte sie mich an, dann brach sie vor meinen Füßen zusammen und blieb neben dem toten Simon liegen.
Einem Mann, der keinen Kopf mehr besaß…
Und Gunhilla von Draben?
Meine Kugel hatte sie getroffen. Blut sickerte aus der Wunde an der rechten Körperseite. Ich hatte versucht, sie nicht tödlich zu treffen, das war mir auch gelungen. Sie lag schwerverletzt vor mir, aber sie mußte unbedingt in ärztliche Behandlung.
Ich stand auf.
Regungslos schauten mich die »Hochzeitsgäste« an. »Laßt mich durch«, sagte ich.
Schweigend schufen sie mir Platz…
***
Naß und stinkend war Suko aus dem verdammten Abwasser geklettert. Er stand neben dem Kanal und konnte sich entscheiden, wohin er laufen wollte. Entweder hinter dem Mädchen her oder in die Kapelle. Er wollte sich für die Kapelle entscheiden, als er sah, daß sich die Ratten, an die Verfolgung der Braut gemacht hatten und sie einholen würden.
Suko entschied sich für Wendy!
So schnell wie sie konnte er nicht laufen. Er hielt den Abstand gleich und sah dann, wie sie den Schleier verlor und einen Moment später von mehreren Ratten gleichzeitig angesprungen wurde.
Sie konnte diesem Angriff nicht mehr ausweichen. Zuerst kippte sie nach links gegen die Gangwand, dann drückte sie die Kraft in die andere Richtung und ins Leere.
Der Körper verschwand in den schmutzigen, gurgelnden Fluten, die sofort über Wendy zusammenschlugen. Aber auch die Ratten wollten ihre Beute nicht hergeben.
Sie sprangen ebenfalls in den Kanal.
Sekunden später war Suko da. Der Kanal war nicht tief. Durch den Wasserdruck und die Strömung war der Körper des Mädchens an die Oberfläche getrieben worden. Das Kleid sah aus wie ein aufgebauschter und gleichzeitig klatschnasser Schleier.
Suko sah auch das Gesicht. Es war naß und vor Panik verzogen.
Eine Ratte, die ihr ins Gesicht springen wollte, sah er auch.
Suko kniete bereits.
Als sich die Ratte abstieß, säbelte seine Handkante bereits durch die Luft und traf das Tier im Sprung. Wie ein Klumpen verschwand es unter Wasser.
Bevor Wendy noch abgetrieben werden konnte, griff Suko zu. Er mußte den Arm lang machen, bekam ihr Haar zu fassen – und es ging nicht anders. Er riß sie zu sich heran und zerrte sie, nun an der Schulter haltend, mit einem wahren Kraftakt aus dem Wasser.
Die Ratten gaben nicht nach.
Zwei hatten sich festgebissen.
Suko hämmerte sie zu Boden und zertrat sie. Wendy bekam von alldem nichts mit. Sie war einer Ohnmacht nahe. Suko nahm sie auf die Arme.
Wie ein Vampir sein Opfer, so trug er sie durch den Kanal in die Kapelle hinein, wo er mit seinem Freund John Sinclair zusammentraf. »Alles klar?« fragte er rauh.
Ich hob die Schultern. »Fast alles.«
Dann machte ich mich auf den Weg ins Büro und alarmiere einen Arzt…
***
Die nächste Nacht wurde für uns noch lang. Um die ungewöhnlichen »Hochzeitsgäste« kümmerten sich die Kollegen. Sie nahmen die Aussagen zu Protokoll. Gunhilla von Draben lag auf dem Operationstisch. Ob sie es schaffte, war aber fraglich. Ich jedenfalls wünschte ihr, daß sie überlebte.
Sir James saß ebenfalls bei uns. Er hatte unserem Bericht sehr genau zugehört.
»Das D auf der Stirn. Bedeutet es tatsächlich Dracula?« fragte er leise.
Ich nickte. »So hat man es mir gesagt.«
»Aber Dracula ist nicht mehr. Das andere ist Erfindung«, warf Suko ein.
»Wer weiß, mein Freund.« Ich nickte in seine Richtung. »Hüte dich vor Dracula, so hat sie gesprochen. Ich glaube, daß sie nicht gelogen hat. Das alte Blut kocht wieder, Suko. Ich rechne damit, daß wir uns in diesem Jahr auf
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