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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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nur vorzustellen, daß du nicht lebst, und schon bewegen wir uns auf derselben Ebene. Sprechen wir nicht mehr von alldem, ja?“
    „Es ist mir lieber.“
    Plötzlich wird Djalli ernst, sie streckt eine leicht zitternde Hand nach ihm aus.
    „Getraust du dich, mich zu berühren?“
    „Aber gewiß.“
    Er ergreift ihre Hand, sie ist zart, weich und auch kühl. Eine Tote? Lächerlich! Sie hat eben nur eine fixe Idee, von der man sie befreien könnte, denn sie ist jung.
    „Djalli!“
    Sie strahlt.
    „Du hast meinen Namen so hübsch ausgesprochen.“
    Unmerklich nähert sie sich ihm. Mein Gott, vielleicht ist es Zärtlichkeit, was ihr bisher gefehlt hat? Bernard schiebt seinen Arm um ihre Schultern, und sie schmiegt sich an ihn.
    „Ich liebe dich, Bernard.“
    „Ja, mein Kleines.“
    „Wiederhol’ meinen Namen.“
    „Djalli.“
    „Verwundert er dich nicht?“
    „Ein bißchen.“
    „Meine Großmutter war die Tochter eines Großwesirs am Hof des Sultans Kerbogath von Persien. Sie wurde von einem der Offiziere von Hugo de Vermandois nach der Schlacht von Barbiarok zur Zeit des ersten Kreuzzuges entführt.“
    „Deine Großmutter?“
    „Es macht nichts, wenn du es mir nicht glaubst. Stell dir einfach vor, daß sie eine Urahne von mir ist, und nicht meine Großmutter.“
    Eine Geisteskranke hätte so nicht geantwortet, sondern sich verzweifelt an ihre Wahnvorstellung geklammert, also ist Djalli heilbar. Bernard drückt sie ein wenig fester an sich.
    „Jedenfalls ist es ein sehr hübscher Name, und er paßt so gut zu dir.“
    „Er gefällt dir also?“
    „Sehr.“
    „Und ich?“
    „Sie auch.“
    „Sie, immer Sie – kannst du dich denn nicht überwinden?“
    „Du gefällst mir, Djalli.“
    „Möchtest du mich küssen?“
    Statt zu antworten, beugt er sich, ohne zu überlegen, über sie, und sie küssen sich.
     

     
    Djalli! Sie hat große, grüne, ein wenig traurig und geheimnisvoll blickende Augen. Bernard richtet sich langsam auf. Hat er eine Erregung verspürt? Er weiß es nicht. Es war so seltsam, ein Kuß ohne Wärme, ein Kuß, der ihm nicht die Befriedigung gebracht hat, die er erwarten konnte, der aber das junge Mädchen beglückt, ja, in Ekstase versetzt hat.
    „Liebster!“
    Werden sie noch weiter gehen? Bernard hat das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Jedenfalls hat dieser Kuß kein Verlangen geweckt – bei ihm zumindest.
    „Die andern warten auf dich, Djalli.“
    „Ja.“
    „Was wollen sie?“
    „Dich in Besitz nehmen.“
    Immer wieder die gleiche alberne Litanei. Wenn wenigstens in irgendeinem Augenblick eine eindeutige Bedrohung erkennbar geworden wäre, aber bisher hat Bernard ja stets nur das Gefühl gehabt, einen Alptraum zu erleben. Alles war eher grotesk als gefährlich oder gar beängstigend.
    „Wir wollen zu ihnen gehen. Dann wirst du sehen, daß sie gar nicht fähig sind, mich in Besitz zu nehmen.“
    „Nein.“
    „Ich will sie sehen.“
    „Später.“
    „Wann?“
    „Ich fühle mich so geborgen bei dir.“
    „Weißt du, wie spät es ist?“
    „Nein, hier gibt es keine Uhrzeit.“
    „Du hast mir gesagt, du seiest gestorben.“
    „Ja.“
    „Mehrmals?“
    „Unzählige Male.“
    „Wann bist du gestorben?“
    „Zum letztenmal?“
    „Nein, zum erstenmal.“
    Die Antwort ist zu präzise, um ihn nicht zu beeindrucken: „Im Jahre 1182.“
    Und sie glaubt es! Ihre Ehrlichkeit steht außer Zweifel, aber es ist allzu absurd.
    „Du hießest damals schon Djalli?“
    „Ja.“
    „Und Derais?“
    „Nein, diesen Namen haben wir später bekommen, nach der Hinrichtung meines Onkels. Das war es, was uns alles verdorben hat. Wir stammen von Gilles de Rais ab, einem der Gefährten der Jungfrau von Orleans.“
    „Blaubart?“
    „So hat man ihn genannt.“
    „Und das war Gilbert?“
    „Ja.“
    Gilbert Derais? Dieser sarkastische Alte, der bei all seiner Schrullenhaftigkeit im Grunde harmlos ist.
    Djalli fährt fort: „Was mich wundert ist, daß er euch empfangen hat. Für gewöhnlich tut das mein Vater.“
    „Tristan? Der geheimnisumwitterte Tristan, dem Gilbert nie begegnet?“
    „Wir, meine Mutter und ich, sehen ihn auch nie.“
    „Kommt denn jemals ein Mensch ins Schloß?“
    „Nein. Therese und Wilhelm hüten es für uns.“
    „Therese und Wilhelm, ewig und immer – sie sterben also nie?“
    „Sie sterben, wenn wir da sind, dann kommen sie wieder wie wir, wenn wir sie brauchen.“
    Auf diese Weise kommt er ihr nicht bei. Er versucht es mit einer neuen

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