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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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haben uns verloren. Stellen Sie mir jetzt keine weiteren Fragen; sobald wir an Ort und Stelle sind, werde ich mich bemühen, ausführlicher zu sein.“
    Der Inspektor überlegt.
    „Sie sind Professor, also ein seriöser Mann. Ich will mich daher mit Ihren Erklärungen zufriedengeben und Sie ins Schloß begleiten, um Licht in diese Geschichte zu bringen.“
    „Danke.“
     

     

In der grellen Mittagssonne wirkt das Schloß, wie es ist: eingestürzte oder zumindest schadhafte Mauern. Der ganze rechte Flügel ist nur noch ein Trümmerhaufen. Einzig der Bergfriedhof scheint noch heil zu sein, wenigstens sein unterer Teil.
    „Ich sehe keinen Eckturm“, murmelt Bernard.
    „Hat man Ihnen etwas von einem Eckturm gesagt?“
    „Man hat mich sogar hineingeführt, dabei existiert er gar nicht. Ich frage mich, ob man mir etwa ohne mein Wissen Opium eingegeben hat, um danach meine Halluzinationen zu lenken.“
    „In welcher Richtung?“
    „Das weiß ich nicht.“
    Sie gehen auf das Portal zu. Bernards Fußspuren sind im Schnee noch zu erkennen. Er stellt fest, daß sie genau seinem Schuh entsprechen. Der Polizist sagt nachdenklich: „Jedenfalls sind Sie nach dem letzten Schneefall durch diese Tür herausgekommen, sagen wir gegen sechs Uhr früh.“
    „Das stimmt ungefähr.“
    Es kann sich nur um einen plumpen, abgeschmackten Scherz gehandelt haben. Heimlicher Zorn überkommt den jungen Mann. Natürlich wird er seine Freunde in Gesellschaft von Gilbert Derais und Djalli vergnügt beim Mittagessen sitzend vorfinden, und sie werden ihn auslachen.
    Jetzt, bei Tageslicht und in Gegenwart von Martin, begreift er seine entsetzlichen Ängste einfach nicht mehr. Er betätigt den Türklopfer mit einer Heftigkeit, die ihn wundert.
    Mein Gott, wie morsch dieses Portal ist! In der Nacht wirkte es so solide.
    Sie brauchen nicht lange zu warten. Der Türflügel öffnet sich sacht, und Wilhelm tritt auf die Schwelle.
    „Erkennen Sie mich wieder?“ sagt Bernard.
    „Ja, ich habe Sie erwartet.“
    Es ist nicht ganz derselbe Wilhelm wie in der Nacht. Der hier ist unvergleichlich viel älter, gebrechlicher, harmloser.
    Er deutet auf den Polizisten: „Wer ist das?“
    „Inspektor Martin.“
    Der Polizist zeigt seinen Ausweis. Wilhelm lächelt auf eine undefinierbare Art.
    „Sie brauchten ihn nicht mitzubringen.“
    „Wir möchten hinein.“
    „Bitte sehr.“
    Er tritt zur Seite, um sie vorbeigehen zu lassen. Der Flur mit seinen feuchten Wänden. Hier ist es kälter als draußen. Bernard geht voraus, mühelos findet er die Tür zur Küche. Der Flur ist ganz kurz, höchstens drei Meter – in der Nacht und bei Kerzenlicht hatte er riesige Proportionen gehabt … nun, Wilhelm hat ihn auf den ersten Blick wiedererkannt … nur ihm fällt das Wiedererkennen schwer.
    Die Küche! Alles ist da: der große Tisch, die Galerie, die Truhen, der Kamin, in dem kurze Scheite brennen. Alles starrt von widerlichem Schmutz. Wilhelm hat sie eingeholt und ruft: „Mama!“
    Die Alte erhebt sich ein wenig von dem Sessel, der vor der Feuerstätte steht. Der Hauklotz ist auch da, ein bißchen eingeschrumpft, und die Holzhaueraxt.
    Auf Bernard hinweisend, fügt Wilhelm hinzu: „Er ist gekommen.“
    Therese bekreuzigt sich hastig. Sie ist viel hagerer als am Abend zuvor.
    Bernard schüttelt den Kopf, und plötzlich zuckt er zusammen: auf dem Schemel, von dem er sich am Morgen seinen Mantel wieder genommen hat, liegen die Kleidungsstücke seiner Freunde, offensichtlich völlig unberührt.
    Er weist Martin auf sie hin: „Hier ist der Beweis, daß meine Freunde noch da sind.“
    „Wo sind sie?“ fragt Martin die beiden Alten.
    Wilhelm erwidert kurz: „Sie kommen im Lauf des Abends wieder.“
    „Das ist keine Antwort.“
    „Mehr weiß ich nicht.“
    „Wir werden das Schloß durchsuchen.“
    „Wie Sie wollen.“
    Ein Punkt für sie. Martin schaut ihn fragend an. Bernard macht eine müde Geste, dann sagt er in energischem Ton zu Wilhelm:
     

     
    „Führen Sie mich zum Friedhof und in die Kapelle.“
    „Ja, ich muß es tun.“
    „Wer hat es Sie geheißen?“
    „Niemand.“
    „Woher wissen Sie es dann?“
    „Intuition.“
    Dieser Ausdruck, der sich im Munde eines Dienstboten seltsam ausnimmt, läßt darauf schließen, daß er als ein Hauptakteur in diesem Possenspiel den Schwachsinnigen mimt.
    „Sie hätten allein kommen sollen, Herr Ligniere.“
    Allein? Freilich, Djalli hatte gewiß nicht vorausgesehen, daß er in Gesellschaft eines

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