057 - Die Tochter des Werwolfs
vergangenen Tages war er mit Dorian Hunter und Coco Zamis auf dem Rhein-Main-Flughafen angekommen.
Nun war es später Vormittag, und Sullivan war allein unterwegs. Die Fahrt durch den malerischen Taunus hatte ihm gefallen. Er parkte vor dem Rathaus des Städtchens.
»Bitte«, sagte Trevor Sullivan zu einer Mitarbeiterin der Meldestelle, »können Sie mir sagen, ob hier ein Herr Bernd Sommer wohnt? Wir haben uns vor Jahren kennen gelernt. Er dürfte längst im Rentenalter sein.«
»Kennen Sie das genaue Geburtsdatum?«
»Leider nicht. Würden Sie mir den Gefallen tun und dennoch nachsehen?«
Kurz danach stand Trevor Sullivan vor dem Rathaus und hielt Bernd Sommers Adresse in der Hand. Er wohnte in der Gartenstraße 15.
Das Jagdfieber hatte Trevor Sullivan gepackt. Er stieg wieder in den Wagen und fuhr zur genannten Adresse. Die Mitarbeiterin der Meldestelle hatte ihm den Weg beschrieben.
Sullivan stieg aus, schloss den Wagen ab und wollte gerade klingeln. Da fiel ihm ein, dass sein mit silbernen Kugeln geladener Revolver im Handschuhfach lag. Für alle Fälle nahm er die Waffe an sich.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass in einem so stillen und friedlichen Städtchen seit Jahrzehnten eine Werwolfbestie hauste.
Er klingelte. Eine Frauenstimme meldete sich über die Sprechanlage.
»Trevor Sullivan«, antwortete er. »Ich bin ein alter Bekannter Ihres Mannes, Frau Sommer. Ich muss ihn dringend sprechen.«
Nach kurzem Zögern sagte die Frauenstimme: »Kommen Sie herein, Mr. Sullivan.«
Der elektrische Türöffner summte. Sullivan ging durch den kahlen Garten. Der Himmel war grau und wolkenverhangen, es war kalt, Schneefall lag in der Luft.
Eine alte Frau öffnete. Ihr Haar war grau, tiefe Linien kerbten sich um ihren Mund, sie hatte sicherlich schwere Enttäuschungen und viel Kummer hinnehmen müssen.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Sullivan? Mein Mann ist nicht da.«
»Wir müssen doch nicht hier im Flur miteinander reden, Frau Sommer.«
Schweigend bedeutete sie ihm, ins Wohnzimmer zu gehen. Sullivan war es, als hörte er ein gedämpftes Winseln aus dem Keller. Im Wohnzimmer blieb er stehen und zog den Brief aus der Tasche.
»Darf ich fragen, welchen Beruf Ihr Mann ausübt, Frau Sommer?«
»Er war Konstrukteur für Werkzeugmaschinen und Schaltanlagen. Er bezieht jedoch seit vielen Jahren seine Rente.«
Sullivan hatte bereits gedacht, dass Sommer einen freien Beruf ausgeübt hatte, in dem er seine Zeit beliebig einteilen konnte. Im Büro oder bei einer Behörde wäre es sicher aufgefallen, wenn er jeden Monat bei Vollmond ein paar Tage gefehlt oder sich merkwürdig benommen hätte.
Sullivan gab der alten Frau den Brief. Sie las ihn, ohne ein Wort zu sagen, und legte ihn dann auf den Tisch.
»Ich verstehe nicht, weshalb Sie mir diesen Brief geben, Mr. Sullivan. Einen solchen Unsinn habe ich mein Lebtag noch nicht gehört.«
Ein Heulen erklang im Keller, Laute, die einem Schauer über den Rücken jagten.
»Und was ist das?«
»Unser Hund, Mr. Sullivan. Ich fürchte, Sie haben sich wegen eines Hirngespinstes herbemüht. Mein Mann ist verreist. Er wird erst zum Wochenende wieder zurück sein. Sie gehen jetzt besser wieder.«
»Hören Sie, Frau Sommer, Ihr Mann und ich waren Freunde, das sollten Sie doch aus dem Brief erkannt haben. Ich bin hier, um ihm zu helfen.«
»Verlassen Sie mein Haus, sonst rufe ich die Polizei.«
»Tun Sie das, Frau Sommer! Ich habe nichts dagegen. Die Beamten können dann gleich im Keller nachschauen, was da so heult. Rufen Sie nur an, hier steht das Telefon. Wenn wirklich nur der Hund im Keller ist, haben Sie ja nichts zu befürchten.«
Sullivan sah, wie die Frau unsicher wurde.
»Was wollen Sie wirklich?«
»Mit Ihrem Mann sprechen und ihm helfen. Führen Sie mich jetzt in den Keller, Frau Sommer.«
Sie überlegte kurz.
»Einen Augenblick, ich will nur den Schlüssel holen.«
Sie ging durch die Diele in die Küche. Sullivan hörte sie eine Schublade aufziehen. Als sie wieder zurückkam, hielt sie eine deutsche Wehrmachtspistole in der Hand, eine Nullacht. Sie richtete die Waffe auf Trevor Sullivans Unterkörper.
»Machen Sie keine falsche Bewegung! Ich kann mit dieser Waffe umgehen. Ich glaube nicht, dass Sie ein Werwolf sind. Aber eine aus nächster Nähe abgefeuerte Silberkugel ist auch für Sie tödlich. Heben Sie die Hände in Schulterhöhe und bleiben Sie vor dem Bücherregal stehen. Ja, so ist es recht.«
Sullivan war sich bewusst, dass die alte Frau es
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