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057 - Die Tochter des Werwolfs

057 - Die Tochter des Werwolfs

Titel: 057 - Die Tochter des Werwolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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Kriegsgefangenenlager entlassen worden war.
    Sie sagte ihm, dass sie mit ihrem Vater in dieser Stadt wohnte, und dass es ihr Traum sei, Pianistin zu werden.
    »Das glauben Sie nicht«, sagte sie eifrig. »Ich kann alle Werke von Bach aus dem Gedächtnis.«
    »Ihnen glaube ich alles«, sagte er.
    Bernd Sommer zahlte und trat mit dem schönen Mädchen in den kalten Dezembertag hinaus.
    »Weshalb haben Sie Ihre Lebensmittelmarken und einen Teil Ihres letzten Geldes für mich geopfert?«, fragte Gisela Schneider.
    Er fingerte an seiner schäbigen Brille herum, an die er einen Drahtbügel gebastelt hatte.
    »Sie gefallen mir sehr. Ich hatte Angst, Sie würden fortgehen und ich sehe Sie nie wieder.«
    »Sie hätten mich auch fragen können, ob wir spazieren gehen wollen. Das wäre billiger gewesen.«
    So trat Gisela Schneider in Bernd Sommers Leben, und damit änderte sich für ihn alles. Er dachte nicht mehr an den Tod, er dachte nur noch an die schwarzhaarige junge Frau mit dunklen Augen. Einige Male kam Bernd Sommer zu den Schneiders zum Essen. Zu Giselas Vater, einem Gewerbeschullehrer, fand er sofort Kontakt.
    Nachts wälzte Bernd Sommer sich unruhig in seiner Dachkammer im Bett herum, denn unbarmherzig rückte die Zeit des Vollmonds näher. Den Brief an Trevor Sullivan hatte er noch immer nicht abgeschickt. Er fragte sich, was er tun sollte.
    Er war verliebt. Nichts ersehnte er mehr als ein geordnetes bürgerliches Leben mit Gisela. Aber wenn der Vollmond kam, musste er zum Werwolf werden. Daran änderte selbst die größte Liebe nichts.
    Bernd Sommer entschloss sich schließlich, Gisela die Wahrheit zu sagen. Zwei Tage vor der ersten Vollmondnacht rang er sich dazu durch.
    Bei einem Waldspaziergang gab er Gisela den Brief, der an Trevor Sullivan gerichtet war. Sie las ihn, während er den verschneiten Wald betrachtete. Auf den Ästen der Tannen lagen Schneelasten, eine dicke Schneeschicht bedeckte den Boden, der winterliche Wald sah malerisch aus.
    Gisela begann hellauf zu lachen. »Was soll dieser Unsinn, Bernd? Du willst mich auf den Arm nehmen.«
    »Nein, Gisela, es ist die Wahrheit. Ich sollte schon tot sein. Hoffentlich habe ich nicht zu lange gewartet. Ich will mit diesem grauenhaften Fluch nicht weiterleben. Wie wäre es dir zumute, wenn du wüsstest, dass du in den Vollmondnächten zu einer reißenden, mörderischen Bestie wirst?«
    Sie schwieg lange Zeit.
    »Du behauptest also, dass es wahr ist, was in diesem Brief steht? Dass du wirklich ein Werwolf bist?«
    »Ja.«
    Wieder schwieg Gisela.
    Endlich fragte sie: »Was willst du jetzt tun?«
    »Du musst mich übermorgen Nacht in einem abgelegenen Bunker einschließen. Wenn der Vollmond vorbei ist, schicke ich den Brief an Trevor Sullivan ab. Für uns gibt es keine Zukunft, Gisela.«
    Schweigsam kehrten sie ins Städtchen zurück. Am nächsten Tag fuhren sie mit den Fahrrädern zu einem geräumten Bunker im Wald. Bernd Sommer hatte einen Dietrich besorgt. Er erklärte Gisela, wie sie die stählerne Tür versperren sollte.
    »Schließ mich morgen Mittag ein. Hoffentlich kommt niemand vorbei. Die Folgen wären nicht auszudenken.«
    Am nächsten Nachmittag waren die beiden wieder da. Es war kurz vor Silvester. Die erste Weihnacht ohne die Schrecken des Krieges seit Jahren, die erste Weihnacht seit seiner Kinderzeit, an der Bernd Sommer Friede, Freundlichkeit und Zuneigung zuteil geworden war, die Geborgenheit in einer Familie.
    Er liebte Gisela, und sie liebte ihn. Aber wenn er bei ihr blieb, was musste dann geschehen? Irgendwann würde er als Werwolf entlarvt werden, als mörderische Bestie. Und was war dann mit Gisela? Vielleicht würde er sie sogar einmal in einer Vollmondnacht zerreißen, wenn der Fluch des schwarzen Blutes über ihn kam.
    Sie traten in den muffig riechenden Bunker.
    »Geh jetzt«, sagte Bernd Sommer. »Der Mond geht bald auf.«
    Sie nahm eine Feldflasche aus der großen Tasche, die sie auf das Fahrrad geschnallt hatte.
    »Da, trink das, es ist heißer Tee, er wird dir gut tun.«
    Bernd Sommer trank, der Tee schmeckte etwas seltsam, aber er hatte andere Sorgen, als darauf zu achten. Gisela Schneider beobachtete ihn. Bernd fühlte sich plötzlich müde und taumelig.
    Etwas traf ihn wie ein Sandsack, seine Knie gaben nach, er fiel bewusstlos um.
    Als er wieder zu sich kam, einen faden Geschmack auf der Zunge, war er mit eisernen Ketten an eine Eisenstrebe des Bunkers gefesselt. Eine Petroleumlaterne gab ein unsicheres Licht. Gisela Schneider

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