057 - Die Tochter des Werwolfs
über den Hochhäusern hinauf. Es war Halbmond. Henicke erinnerte sich an seinen Albtraum. Unwillkürlich dachte er, was wohl während der Vollmondnächte geschehen würde.
Vierzehn Tage später
Henicke war wieder voll im Ganoven- und Zuhälteralltag. Der Aufenthalt in der Uni-Klinik schien ihm sehr weit zurückzuliegen. Die erste Vollmondnacht stand bevor. Aber daran dachte er nicht. Er hatte Sorgen. Soeben hatte ihn ein Informant angerufen, der aus zuverlässiger Quelle wusste, dass die Polizei einen seiner Massagesalons ausheben wollte. Das hätte Henicke kein Kopfzerbrechen bereitet. Aber im Salon, einem getarnten Bordell, war eine Eurasierin untergebracht, ein Ex-Model, das zur Prostitution gezwungen wurde.
Wenn die Sittenpolizei kam, würde sie todsicher gegen Henicke aussagen. Telefonisch konnte er nichts arrangieren, denn die beiden Telefone des Salons wurden bestimmt abgehört.
Henicke fuhr mit Träller-Maxe und Fred los. Sie benutzten nicht seinen in der ganzen Stadt bekannten Cadillac, sondern einen unauffälligen Mercedes, der einem Bekannten Henickes gehörte. Sie stoppten in einer Seitenstraße vor dem Altbau in Sachsenhausen, in dem sich der Massagesalon befand.
Dem schäbigen Gebäude sah man nicht an, was sich darin verbarg. Auf dem Parkplatz gegenüber standen einige Wagen. Die meisten von ihnen gehörten Männern, die sich im Massagesalon aufhielten.
Der Altbau stand in der Nähe der Mörfelder Landstraße, ein gutes Stück von dem urgemütlichen Sachsenhausen mit seinen Äppelwoikneipen, den Lokalen, Diskotheken und immer anwesenden Zechern entfernt.
Henicke und seine beiden Kumpane traten ein. Im Erdgeschoss klingelten sie an der Haupttür mit dem Schild Verena Dubais – Spezialmassagen . Im Hausflur roch es nach Mauerschwamm und Bohnerwachs. Im ersten und zweiten Stock wohnten einige Ausländer, die sich illegal in Deutschland aufhielten und Henicke deshalb horrende Mieten zahlten, sowie einige der Frauen aus dem Salon.
Hinter der Tür waren Schritte zu hören. Ein Auge musterte Henicke durch den Spion.
Sofort wurde die Tür aufgerissen.
»Hallo, Jürgen, du kommst aber unverhofft. Gibt es etwas Besonderes?«
Eine verlebt aussehende Frau mit großen Augen stand da. Es war offensichtlich, dass sie drogensüchtig war. Henicke schob sie zurück. »Ich muss sofort in deinem Büro mit dir reden, Verena.«
In den Räumen im Erdgeschoss waren Männer- und Frauenstimmen zu hören, zweideutige Worte und eindeutige Laute. Es gab eine Bar und ein Spielzimmer, in dem die Männer sich die Zeit vertreiben konnten, wenn nicht gleich jemand für sie da war. Verena Dubois führte die Besucher in ihr Büro.
»Delila muss weg, die Sitte kommt noch heute Abend. Jemand hat den Bullen einen Tipp gegeben.« Henicke starrte angewidert auf einen Haufen Katzenscheiße. Es stank im Zimmer.
Verena riss das Fenster auf.
»Delila muss einem ihrer Kunden den Auftrag gegeben haben, die Polizei anzurufen«, sagte sie dann. »Wenn ich nur wüsste, wer es war. Ich lasse nur zuverlässige Leute zu ihr. Verdammt, und ich glaubte, ich hätte sie hingekriegt. Na, die kann sich auf etwas gefasst machen.«
»Und ob«, sagte Henicke. »Aber zuerst muss sie weg. Wir fesseln sie und verstecken sie in dem Verschlag auf dem Dachboden. Wenn die Bullen fort sind, transportieren wir sie ab, und dann werde ich ein Exempel statuieren. Die Letzte, die mir das Geschäft versauen wollte, war Petra Sommer. Sie landete tot auf der Aschaffenburger Müllkippe.«
Henicke überließ es Träller-Maxe und Fred, Delila auf den Dachboden zu schaffen. Er fühlte sich nicht wohl. Die Dunkelheit war bereits angebrochen, und bleich stand der Vollmond über den Dächern von Frankfurt.
Henicke spürte ein Zerren und Ziehen in allen Gliedern, Schweiß brach ihm aus. Im Nu waren seine Kleider nass. Er flüchtete in das Massagezimmer nebenan.
Ein französisches Bett nahm den größten Teil des Raums ein. An der Wand hingen zwei Aktgemälde. Das Zimmer war ganz in Gold und Rose gehalten, ein Hauch von Parfüm hing noch in der Luft.
Der Zuhälter stöhnte, riss sich die Krawatte auf und betätigte einen Klingelknopf, der sich auf dem Nachttisch befand. Ihm schwindelte, er fühlte sich hundeelend. In den Kiefern spürte er einen ziehenden Schmerz, als wolle sich sein Gesicht verändern.
Er klingelte noch einmal, eine zierliche, schwarzhaarige Frau trat ein. Sie trug ein hauchdünnes Neglige, auf dem der Name Aimee eingestickt war.
»Was ist,
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