057 - Im Banne des Unheimlichen
geschäftsmäßig ordnen. Gestern wußte ich noch nicht, daß er angeblich auf dem trockenen sitzen soll.‹ La Florette schien es nun doch ein wenig unbehaglich zu werden. ›Er wird mich schon nicht im Stich lassen‹, meinte sie. ›Ich will ihn noch heute nacht anrufen.‹ - ›Telefoniere ihm doch gleich‹, drängte der beunruhigte van Campe. - Nun, sie ging daraufhin weg, um zu telefonieren, und ich hielt den Augenblick für gekommen, mich aus dem Staube zu machen.«
Marsh verabschiedete sich bald von seinen Freunden Bullott und Holbrook. Er schlug nicht die Richtung nach Hause ein, sondern begab sich in die Camden Street. Dort gab es, keine hundert Meter von Laffins Behausung entfernt, eine Gruppe kleiner alter Häuser mit je einem Laden im Erdgeschoß und einer Wohnung darüber, zu der ein Seitenaufgang führte. Die Häuschen waren aus einer früheren Zeit stehengeblieben. Neben den viel imposanteren Nachbarbauten wirkten sie noch winziger und wie aneinandergeklebt. Vor dem Seitentor eines solchen Häuschens blieb Toby Marsh stehen, schloß auf und verschwand im Innern.
Von dem mit Gerümpel verstellten Gang aus stieg er die Treppe hinauf bis zu der armselig eingerichteten Mansarde, die er vor wenigen Monaten gemietet hatte. Er zündete das Gaslicht an und ließ vorsichtig den Fenstervorhang herab. Vorsicht war nötig, denn durch den geöffneten oberen Fensterteil lief ein Draht zu einem mit Kopfhörern ausgestatteten Kasten auf dem Waschtisch.
Toby klemmte sich den Kopfhörer um und lauschte angespannt. Da er jedoch nichts zu hören bekam, nahm er den Hörer nach einer Weile wieder ab und erhob sich. Darauf zog er aus dem Hintergrund eines Wandschranks ein Lederetui hervor, das er aufs Bett legte und öffnete. Es enthielt eine Menge Werkzeug, das er für seinen Beruf benötigte - ungemein sinnreiche, fein konstruierte kleine Instrumente, aber auch einige größere, die zum Gebrauch erst zusammengeschraubt werden mußten, Schlüssel von merkwürdiger Form, eigenartige Sägeblätter und ähnliches. Er breitete alles vor sich aus und betrachtete sinnend seine Schätze.
Als er jedoch zum Fenster hinaussah und bemerkte, daß der Morgen schon graute, schien er seine Absicht zu ändern, denn er verpackte alles wieder sorgfältig und verstaute das Etui im Wandschrank.
27
Den ganzen Sonntag hatte Dr. Laffin das Haus nicht verlassen. Am Abend empfing er einen Mann bei sich, den er zwar unerträglich fand, den er aber als Verbündeten nicht unterschätzen durfte.
Die Unterhaltung zog sich hin. Laffin lehnte sich in seinen Stuhl zurück und sah leicht angewidert zu, wie sein Gast eine zweite Flasche entkorkte und den Wein in ein mächtiges Glas goß, das vor ihm auf dem Schreibtisch stand.
Kapitän Harvey Hale war ein Mann von guten Nerven. Weder die unheimliche Atmosphäre des Zimmers noch der düstere Doktor selbst vermochten ihn in seinem Lebensgenuß zu stören.
»Harvey Hale arbeitet genauso zuverlässig zu Lande wie zur See«, sagte er schmatzend. »Kleine Mißerfolge können einem freilich immer passieren. Daß heute Holbrook heil davongekommen ist, war nur ein Zufall.
Einen besseren Mann als mich hätten Sie gar nicht finden können, Kommodore!«
»Haben Sie eigentlich mit den Männern gesprochen?«
»Gesprochen? Ha, ha!« Das ganze Zimmer erzitterte unter Hales dröhnendem Lachen. »Was braucht man mit einer solchen Herde viel zu reden! Die Leute kennen mich - sie wissen, daß es gut bezahlte Arbeit geben wird, und wollen sie leisten. Mir, dem alten Schiffer Hale, könnten Sie schon endlich einmal sagen, worum es sich eigentlich handelt.«
»Sie werden es rechtzeitig erfahren, mein Freund«, sagte Laffin. »Vielleicht aber werden meine Pläne noch vereitelt, dann brauchen Sie sie auch nicht zu kennen.«
»Ich hoffe, das wird nicht der Fall sein, und Harvey Hale findet Gelegenheit, einer großen Sache zum Erfolg zu verhelfen. Es war nicht meine Schuld, daß wir das Mädchen das zweitemal nicht bekamen. Das erstemal haben wir sie ja fast in unserer Hand gehabt. Sie hätten sie nicht wieder auslassen sollen. Wie konnte ich ahnen, daß ein Polizeimann sich im Stock unter ihr eingenistet hatte?«
»Ich mache Ihnen ja keinen Vorwurf«, erwiderte der Doktor. »Das Schicksal war eben gegen uns.« Vor ihm lag eine Schrift, in die er sich immer wieder vertiefte, während Hale dabeisaß und trank. Plötzlich fragte Laffin: »Haben Sie die erste Gruppe schon abgeschickt?«
»Sie ist schon am Bestimmungsort
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