0570 - Die Stimmen der Qual
zurückzudrängen versuchten, näherte sich Munisho Aerce lächelnd dem Mann, der in einem Bett saß, über das eine leicht flimmernde Energieglocke gestülpt war.
„Afrigo, daß ich dich nach all den Jahren ausgerechnet hier wieder treffe", sagte sie fassungslos. Sie war beim Anblick ihres ehemaligen Jugendfreundes sofort mißtrauisch geworden. Konnte es Zufall sein, daß sich ihre Wege ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kreuzten?
„Wie meinst du das?" fragte der etwa hundertjährige Mann in der Anstaltskleidung scharf. „Was gefällt dir an dieser Umgebung nicht, Muni? Dir wäre es wohl lieber gewesen, ich hätte dich in einem Palast empfangen. Ja, ja, jetzt bist du eine große Dame! Ein Wunder, daß du mich überhaupt brauchst."
„Du hast mich erwartet?" fragte sie irritiert.
Afrigo wollte sich mit den Händen an der Energieglocke abstützen, zuckte aber sofort wieder zurück, als er einen leichten elektrischen Schlag erhielt.
„Glaubst du, sonst hätte ich mich in diese Klapsmühle versetzen lassen?" rief er empört. „Ich wollte dich sprechen.
Du mußt mir hier heraus helfen. Ich bin vollkommen gesund.
Aber die wollen mich hier behalten, weil ich zuviel weiß. Als ich erfuhr, daß du durch diese Abteilung kommst, habe ich mich versetzen lassen."
Munisho Aerce warf dem Arzt einen Blick zu, und der formte mit den Lippen lautlos das Wort „Paranoia".
„Von wem hast du erfahren, daß ich in diese Abteilung komme, Afrigo?"
Afrigo lächelte geheimnisvoll. Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht.
„Du mußt mir helfen, Muni", sagte er eindringlich. „Ich weiß, daß du das kannst. Du hast einen großen politischen Einfluß." Dann lächelte er verschwörerisch. „Wenn du dich nicht für mich einsetzt, dann erzähle ich allen, was vor fünfzig Jahren zwischen uns gewesen ist."
„Was redest du da, Afrigo!"
Er kicherte. „Glaube nur ja nicht, daß das zu lange zurückliegt, um jemanden zu interessieren. Ich weiß, daß du jetzt keine Skandale brauchen kannst. Aber wenn du mir nicht hilfst, dann werde ich plaudern. Und das gibt einen Skandal!"
„Ich werde sehen, was sich tun läßt", murmelte Munisho Aerce.
Als sie mit zweien ihrer Leibwächter durch einen Nebenausgang das Gebäude verlassen wollte, um den Reportern zu entgehen, sah sie sich plötzlich einer hundertköpfigen Menschenmenge gegenüber. Die Demonstranten stimmten bei ihrem Anblick Sprechchöre an, schüttelten ihre Fäuste und schwenkten riesige Transparente, auf denen Sprüche wie keine Amazone als Großadministrator! Munisho Aerce - Vertreterin der neuen Bourgeoisie! zu lesen standen.
Munisho Aerce war froh, als sie den Schweber erreichte.
Zurück in ihrem Apartment, ließ sie ihren Propagandachef zu sich rufen.
„Ich wußte nicht, daß auf Terra solch schmutzige Politik betrieben wird", sagte sie bitter.
„Sie sollten die Demonstration nicht ernstnehmen. Die NTB (Nationalterranische Bruderschaft) hat im ganzen Solsystem nur einige zehntausend Mitglieder und ist bekannt dafür, daß sie gegen alles und jeden wettert. Niemand, außer sie selbst, nimmt sie ernst."
„Es ist nicht nur wegen der Demonstranten", sagte Munisho Aerce. „Was mich wirklich bestürzt, ist die Begegnung mit Afrigo.
Das war kein Zufall!"
„Wie stehen Sie zu ihm?" erkundigte sich der Parteichef. „Gibt es etwas im Zusammenhang mit ihm, das man gegen Sie verwenden könnte?"
Sie lächelte schmerzlich.
„Wenn man es darauf anlegt, dann kann man auch aus einem Zwirn einen Strick drehen. Ich habe vor fünfzig Jahren mit Afrigo zusammengearbeitet, mehr nicht. Unsere Wege trennten sich, als ich in der Politik Karriere machte. Wir schrieben uns später gelegentlich. Zuletzt traf ich ihn vor zehn Jahren auf Plophos bei der Eröffnung eines Waisenhauses. Er war dort Erzieher. Unsere Begegnung war nur flüchtig, uns blieb nicht einmal Zeit, um Erinnerungen auszutauschen. Es ist mir unverständlich, wie jemand daraus eine Affäre machen kann."
„Sie vergaßen, daß Afrigo selbst ziemlich eindeutige Bemerkungen über Ihre Beziehungen machte", erinnerte der Parteichef.
„Er leidet an Bewußtseinsspaltung, das hat der Arzt selbst erklärt!"
„Was kümmert die Leser von Klatschspalten die Wahrheit. Wenn sie Schlagzeilen wie Munisho Aerce besucht ehemaligen Geliebten in Rehabilitationszentrum lesen, werden sie sich sagen, daß etwas dahinterstecken muß."
Munisho Aerce schüttelte verständnislos den Kopf.
„Wer kann eine solche Gemeinheit ersonnen
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