0570 - Die Stimmen der Qual
haben?"
„Wir fanden bei Afrigo ein Parteibuch der NTB. Es wurde vor drei Tagen ausgestellt. Ich vermute, daß die Intrige von einer mächtigeren Partei ausgeht, die die NTB nur vorgeschoben hat.
Wir werden von nun an auf der Hut sein müssen."
*
Munisho Aerce kam von einer Wahlversammlung zurück.
Sie erinnerte sich mit Entsetzen an die Störversuche, die Mitglieder der NTB unternahmen und an die Rauferei, als die Saalordner die Unruhestifter hinausbefördern wollten.
Sie hatte nur den einen Wunsch, sich schnellstens in ihr Apartment zurückzuziehen und ihre Lage in Ruhe zu überdenken.
Gerade als sie aus dem Antigravschacht trat und auf ihre Tür zusteuerte, kam um die Ecke eines Korridors ein junger Mann gelaufen, dessen Gesicht blutverschmiert war. Zwei der in jeder Etage postierten Leibwächter waren hinter ihm her.
„Helfen Sie mir, die bringen mich sonst um!" rief der junge Mann und klammerte sich an Munisho Aerce. Sie stellte sich schnell vor ihn, als die beiden Wachtposten herankamen.
„Was hat das zu bedeuten?" erkundigte sie sich scharf.
Der eine der beiden deutete auf den jungen Mann mit dem blutverschmierten Gesicht und sagte keuchend: „Er hat sich unter dem Vorwand eingeschlichen, seinen Mitgliedsbeitrag zahlen zu wollen. Dem Torposten kam er aber gleich verdächtig vor. Er verständigte uns, und tatsächlich lief uns der Bursche beim Lastenaufzug in die Arme."
„Mußten Sie ihn gleich so zurichten?" sagte Munisho Aerce.
„Er gehört der NTB an und stieß Beleidigungen gegen Sie aus!"
Munisho Aerce wandte sich an den jungen Mann.
„Was haben Sie hier zu suchen?" Der junge Mann verneigte sich leicht und grinste.
„Mein Name ist Helion Jorgan, Ich bin nicht nur ein Mitglied der NTB, sondern ihr Gründer. Und ich habe den gefahrvollen Aufstieg in Ihr Reich nur gewagt, um Ihnen eine Botschaft zu überbringen, Madam."
„Ich höre."
Helion Jorgan schüttelte den Kopf und sagte mit einem Seitenblick auf die beiden Wachtposten: „Nicht in Anwesenheit dieser beiden Schlägertypen. Die könnten mich mißverstehen und mich zusammenschlagen."
Munisho Aerce überlegte kurz, dann sagte sie: „Kommen Sie mit mir auf mein Zimmer."
„Aber...", wollte der eine Wachtposten aufbegehren.
„Ihr könnt hier draußen warten und mir zu Hilfe kommen, wenn ich schreie", unterbrach sie ihn.
Munisho Aerce schloß die Tür auf und trat vor Helion Jorgan ein.
„Waschen Sie sich zuerst das Blut ab", sagte sie. „Dort ist das Bad."
Als Helion Jorgan nach einigen Minuten zurückkam, sich gereinigt und seine Kleider in Ordnung gebracht hatte, stellte sie überrascht fest, daß er einen recht sympathischen Eindruck machte.
Er hatte ein glattes, hübsches Gesicht mit braunen Augen. Sein schwarzes Haar war zerzaust, wirkte aber dennoch gepflegt. Er war der Typ, bei dem sie an ihre eigenen Kinder erinnert wurde und bei dem sie unwillkürlich Mutterinstinkte empfand. Sie mußte sich immer vor Augen halten, daß dieser Mann mit dem unschuldigen Gesicht ein Komplott gegen sie schmiedete, um nicht zu vergessen, daß sie einen Gegner vor sich hatte.
„Ich hätte nicht gedacht, daß Sie mich so freundlich behandeln würden", sagte er. „Dafür bin ich Ihnen zu aufrichtigem Dank verpflichtet, Madam."
„Von Ihrer Aufrichtigkeit dürfte nicht viel zu halten sein", entgegnete sie. „Aber ich trete eben selbst in Extremfällen für eine friedliche Koexistenz ein."
„Ich bin für Zusammenarbeit", sagte Helion Jorgan.
Munisho Aerce blickte überrascht auf.
„Wie meinen Sie das?"
Jetzt zeigte Helion Jorgan wieder sein entwaffnendes Lächeln.
„Wie ich es sage, Madam. Ich möchte eine Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Parteien. Zugegeben, die NTB ist im Vergleich zur SBF ein Zwerg. Aber wir haben Möglichkeiten, Ihnen zu helfen, oder - Ihnen zu schaden. Eine Koalition zwischen uns würde für beide Teile Vorteile bringen. Wir würden von Ihrer finanzstarken Partei materielle Unterstützung erhalten, und wir würden Ihnen dafür eine moralische Hilfe sein. Zum Beispiel könnte ich dafür sorgen, daß Ihr Freund Afrigo nicht plaudert."
Munisho Aerce hatte nur für einen Augenblick Zorn in sich aufflammen gespürt. Jetzt war sie wieder ganz ruhig.
„Wie man sich täuscht", sagte sie wie zu sich selbst. „Ich dachte, daß ein politischer Gegner versucht, mich zu seinem Vorteil bei den Wählern in Mißkredit zu bringen. Dabei handelt es sich um einen erbärmlichen kleinen Erpresser, der die
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