0573 - Tanzplatz des Teufels
Kneipengespräche bei uns in Abbenrode abzuhalten, oder du mußt mich eben nach Harzburg holen und wieder heimbringen.«
»Es gibt Taxen«, knurrte Möbius. »Leute, die mir die Zündholzschachtel abnehmen wollen, chauffiere ich nicht.«
Er hieb Brass die Hand auf den Rücken.
»Ich denke, wir werden hier nicht mehr gebraucht. Die Autos werden abgeschleppt, also fahren wir nach Hause. In diesem Straßenkreuzer ist sicher noch Platz für zwei fesche Anhalter, wie wir es sind…«
Sie holten Möbius’ Wagen und checkten kurz vor Abend in Vienenburg ein, im Hotel »Glück auf«, in dem Möbius ihnen ein komfortables Zimmer bestellt hatte.
Der Industriemagnat lud sie ins Hotelrestaurant ein. Die Einrichtung machte einen rustikal-anheimelnden Eindruck, der vordere Bereich des Lokals war in Nischen aufgeteilt, in denen jeweils kleine Sitzgruppen auf ihre Benutzer warteten, und diese Nischen wurden durch backsteingemauerte Torbögen voneinander getrennt. Möglicherweise wollte man damit, dem Namen des Hauses entsprechend, Bergwerks-Charakter und nostalgischen Patriotismus zeigen. Nicht unbedingt gelungen, dafür aber einfach schön.
Als sehr gelungen erwies sich dafür das Essen aus jugoslawischer Küche, es war gut und äußerst reichhaltig zu einem fairen Preis. Stephan Möbius konnte es dabei nicht lassen, kräftig mit der »Teufelssoße« nachzuwürzen, einer Spezialität des Hauses. Zamorra probierte nur wenig davon und fühlte sich bereits wie ein feuerspeiender Drache. Ein Wunder, daß Möbius’ Magen das vertrug…
»Ob unser alter Freund Asmodis hier für die Rezeptur verantwortlich ist?« murmelte Zamorra. »Er könnte diese Soße nicht besser zusammenmixen.«
»Der Harz ist eben Hexen- und Teufelsland«, sagte Brass. »Zumindest zu gewissen Zeiten.«
Sie reflektierten das Tagesgeschehen noch einmal und sprachen auch über Brass' Sichtung der fliegenden Hexen vor einigen Tagen.
»Wir werden uns Thale und diesen Hexentanzplatz mal näher ansehen«, beschloß Zamorra, »allerdings nicht mehr in der Nacht, sondern morgen bei Tage. Vielleicht gibt es da Spuren.«
»Wenn ihr bei Tage fahrt, solltet ihr einen kleinen Umweg über Wernigerode machen und euch die Altstadt ansehen«, empfahl Möbius. »Auch das Museum ist einen Besuch mehr als wert, und vor allem das Schloß…«
»Um Wernigerode zu genießen, muß man sich mehrere Tage Zeit nehmen«, sagte Brass, »das darf man nicht im Hauruck-Verfahren hinter sich bringen. Wernigerode ist die schönste Stadt Deutschlands. Ich bin da geboren. Ich kann Ihnen alles zeigen und erklären, was Sie interessiert.«
»Hat er bei mir auch gemacht«, schmunzelte Möbius. »Er sollte sich als Fremdenführer verdingen.«
»Da müßte ich ja mein gesundes Rentnerleben aufgeben und mich wieder an feste Arbeitszeiten gewöhnen. Bin froh, daß ich das seit über dreißig Jahren nicht mehr muß.«
Irgendwann später verlangte Möbius nach der Rechnung. »Ich muß Walter heimbringen und habe dann selbst noch ein paar Meter zu fahren«, brummte er.
»Sie leben jetzt schon über ein Jahrzehnt hier, Stephan«, sagte Nicole. »Weshalb wohnen Sie eigentlich immer noch im Hotel? Sie könnten sich längst ein gemütliches Häuschen gekauft haben, am Geld wird es doch ganz bestimmt nicht scheitern.«
Möbius winkte ab.
»Für einen alten Mann wie mich lohnt sich ein Immobilienkauf nicht mehr«, gestand er.
Brass hob die Brauen.
»Alt, sagt der«, murmelte er.
Möbius fuhr fort: »Was sollte nach meinem Tod mit dem Haus passieren? Carsten wird sicher nie hierher ziehen. Es vermieten? Jemand müßte sich darum kümmern, es ständig instandhalten, und außerdem, wer zieht schon noch in diese Gegend, wenn er nicht Rentner ist? Seit dem Fall der Grenze und dem Wegfall der Zonenrandförderung ist das hier strukturschwaches Gebiet. Ein paar Leute in der Politik, die sich ungemein wichtig nehmen, wollen scheinbar die alte Weisheit nicht mehr wahrhaben, daß eine Million Mark an Subventionen zehn Millionen Mark an Steuereinnahmen bringen kann, während bei Einsparung dieser einen Million zehn Millionen Mark an Arbeitslosengeldern gezahlt werden muß.«
»Das sind aber ziemlich wilde Zahlen…«
»Natürlich nur ein aus der Luft gegriffenes Beispiel und so formuliert, daß es zur Not auch Politiker verstehen könnten. Nee, wer hierher zieht, vergrößert im Regelfall nur das Heer der Arbeitslosen. Und das Haus zu ’ner Ferienwohnung umbauen? Davon gibt es im Harz schon mehr als
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