0577 - Die Krakenfalle
Bucht. Dann suchte ich die Kanten und die oberen Seiten der Felsen ab, doch auch dort entdeckte ich keinen heimlichen Beobachter.
Dennoch blieb die Ungewißheit…
Äußerlich ein Flecken Erde, wie ihn der Herrgott in einer guten Stunde hätte erschaffen können. Prädestiniert, um wieder zu sich selbst zu finden und das Innere in Einklang zu bringen. Nur bei mir klappte das nicht.
Lag es am Wasser?
Ich horchte auf, denn die gleichmäßige Ruhe der anrollenden Wellen kam mir unterbrochen vor.
Nach dem Horchen schaute ich und stand dabei auf.
Tatsächlich – innerhalb der Bucht zeigte die Oberfläche eine Unruhe, wie ich sie bisher noch nicht gesehen hatte. Zwischen den Felsen schäumte das Meer extrem stark.
Sehr ungewöhnlich…
Die Wellen liefen nicht mehr so ruhig an. Sie schäumten mir entgegen und endeten erst dicht vor dem Felsen, auf dem ich zuvor meinen Platz gefunden hatte.
Strudel brachten das Wasser in Bewegung, bildeten Trichter und drückten gleichzeitig dicke Blasen an die Oberfläche, die dort zerplatzten. Schaum rann gegen den feinen Sand, das Wasser in der Bucht fing an zu kochen.
Ich lief einige Schritte nach links. Dort ragte ein Felsen aus dem Sand. Ich erkletterte ihn und besaß nun einen besseren Ausblick.
Das Wasser bildete an einer Stelle der Bucht nur mehr einen schaumigen Teppich. So wild hatte ich es noch nie gesehen. Ich mußte abwarten, was weiterhin geschah.
Wie ein Blitzstrahl schoß aus dem Zentrum etwas Langes, Graues hervor, umwirbelt von einem hellen Sprüh.
Ich dachte sofort an die Erzählung der Kellnerin. Sie hatte von einem Schlauch gesprochen, der sich vor dem Küchenfenster bewegte.
Im Prinzip hatte sie recht. Der Gegenstand besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Schlauch. Nur war es kein Schlauch, sondern ein gewaltiger Arm, der zu einem noch größeren Tiefseemonster gehören mußte.
Für mich kam dabei nur eines in Frage.
Ein Krake!
***
Irrwitz, ein verrückter Gedanke, trotzdem nicht von der Hand zu weisen, auch wenn der Fangarm des Kraken Sekunden später wieder verschwand. Ich wußte aber, was ich gesehen hatte, und meine Gedanken bewegten sich in einem regelrechten Galopp.
Sollte es vielleicht vom Meer her eine Höhle, einen Gang oder was immer ins Land hinein geben? Hatte der Krake diesen Gang etwa gefunden und sich dem Bistro genähert?
Eine Möglichkeit. Für ihn eine Chance, für mich eine Erklärung.
Wenn ja, was wollte er? Wieso war er überhaupt erschienen? Dieses gewaltige Riesentier, das es eigentlich nur in Legenden und Sagen gab, die sich Seeleute erzählten?
Ich konnte es nicht sagen, es war für mich einfach nicht zu fassen.
Aber er existierte, und er mußte, wenn mich nicht alles täuschte, Ausmaße besitzen, über die ich nur den Kopf schütteln konnte. Riesige Arme, versehen mit einer mörderischen Kraft.
Unwillkürlich trat ich einige Schritte zurück. Mir fiel ein, daß ich einfach zu nahe am Wasser gestanden hatte. Wenn einer der Arme aus der Flut peitschte, schaffte ich es nicht, so schnell zu fliehen, wie es ratsam war.
Und er kam.
Blitzartig peitschte er aus dem Wasser. Ein grauer, mordsgefährlicher Schlauch, versehen mit einer mörderischen Kraft, die alles zermalmen konnte, was der Arm umfing.
Er schlug einen Halbbogen auf den Strand zu, ausgerechnet dort, wo ich mich aufhielt.
Ich rannte.
Im Weglaufen sah ich noch, wie sich ein zweiter Arm aus dem Wasser schob.
Der Sand schien zäh an meinen Füßen zu kleben. So schnell wie auf Asphalt konnte ich nicht laufen. Die weiche Masse kam mir vor, als wollte sie mich festhalten.
Ich ackerte mich voran – und hörte das Klatschen. Fast neben, aber auch hinter mir.
Noch einige Yards sprang ich vor, ehe ich mich auf der Stelle drehte und nach dem Kraken sah.
Er hatte mich nicht erwischt.
Sehr hart war er in den Sand geschlagen und hatte ihn aufstieben lassen. Wo er lag und zugedrückt hatte, blieb eine lange Furche zurück, als er sich wie ein gewaltiger Rüssel in Richtung Meer bewegte und damit den Rückzug antrat.
Dann war er verschwunden. Der zweite Arm schaute noch aus den Fluten hervor.
Dicht unter seinem Ende war er zusammengerollt. Aus dieser Rolle schaute rechts und links etwas hervor.
Einmal ein Kopf, zum anderen zwei Beine, die dicht zusammengepreßt waren.
Der tote Maler…
Der Krake hatte ihn geholt, er hatte ihn mitgenommen und präsentierte ihn nun auf dieser schaurigen Art und Weise, so daß sich in meinem Magen ein Klumpen bildete.
Kalte und
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