058 – Das Gift des Rings
Ansonsten war sie ein Quader, an den vorn ein spitz zulaufendes Cockpit gesetzt war. Die dunkle Frontscheibe reflektierte das Licht der Scheinwerfer, die den Hangar ausleuchteten.
»Was will die Hand des Regenten bei uns?«, fragte Anga.
»Das hat er nicht gesagt.«
»Warum nicht?«
»Das weiß ich nicht, Schatz.«
Lelia strich über Angas Kopf. »Stör deinen Vater jetzt nicht! Die Hand des Regenten ist deinem Vater keine Rechenschaft schuldig.«
»Aber Papa ist doch der Gouverneur!«
Wenn Lelia lächelte, sah man ihr die hundert Lebensjahre nicht an. Vor allem nicht, wenn sie mit ihrer elfjährigen Tochter sprach. »Dein Vater ist der Gouverneur von Naat. Naat gehört zum Großen Imperium. Sergh da Teffron herrscht über das Imperium und darum auch über Naat.«
»Aber der Imperator herrscht über das Imperium!«
»Der Imperator hat die Macht an den Regenten übertragen, und der Regent hat Sergh da Teffron zu seiner Hand gemacht, als du noch nicht einmal geboren warst. Der Wille der Hand ist der Wille des Regenten, und der Wille des Regenten ist der Wille des Imperators.«
Anga runzelte die Stirn, gab sich aber fürs Erste zufrieden.
Prallfelder sorgten für ein sanftes Aufsetzen der Fähre. Das Außentor schloss sich, Luft strömte in den Hangar. Ghorn sah den Naat an, seinen Ranginsignien nach der Thos'athor. Der Offiziersanwärter rief ein Kommando, woraufhin sich sein Trupp vor der Panzertür versammelte. Die Atmosphärenanzeige wies Arkonnormaldruck aus. Ghorn betätigte das Sensorfeld, das die Tür öffnete.
Im Laufschritt nahmen die Naats ihre Positionen ein. Sie bildeten ein Spalier am Seitenausstieg der Fähre und präsentierten ihre Strahlengewehre. Ghorn wartete zwischen seiner Tochter und seiner Frau.
Auf dem Schott der Fähre prangte das imperiale Wappen: ein Kreis, darin ein Dreieck, an dessen Spitzen die drei Zentralwelten als blaue Punkte dargestellt waren, im Zentrum eine Sonne. All diese Symbole vor einer beinahe fotorealistischen Darstellung von Debara Hamtar, der Galaxis, und das gesamte Konstrukt von einem goldenen Zwölfeck gerahmt. Es glitt hinter den Rumpf, als die Tür aufzischte. Ghorns Herz setzte einen Schlag aus, als die Naats auf die Knie fielen. Da war er: Sergh da Teffron.
Die weiße Uniform hatte er damals nicht getragen, ebenso wenig wie das regenbogenfarbene Cape, das jetzt um seine Schultern lag. Er war unverkennbar gealtert, viel stärker, als Ghorn es in den gelegentlichen Vidaufzeichnungen von den Auftritten der Hand des Regenten bemerkt hatte. Falten hatten sich in sein Gesicht gegraben, der Kopf war kahl. Dennoch hätte schon der erste Schritt auf den stählernen Boden der Station ausgereicht, um jeden Zweifel an da Teffrons Identität zu beseitigen. Er setzte die Füße mit einer unnachgiebigen Härte, wie sie kaum ein Soldat aufbrachte. Dabei bewegte er sich mit herablassender Selbstverständlichkeit, als befände sich dieser Mond nur aus dem einzigen Grund an genau dieser Stelle des Raum-Zeit-Gefüges, dass er seine schwarzen Halbschuhe darauf setzen konnte.
Trotz ihrer knienden Haltung ragten die Naats neben da Teffron auf, als er durch ihr Spalier ging. Hinter ihm folgte eine junge Frau, mager, mit kurzem Haar, aber der Eleganz einer Kristallkatze.
Als da Teffron sie erreichte, knieten auch Ghorn und seine Familie nieder. »Ich bin über die Maßen geehrt von Ihrem Besuch!«
»Das glaube ich«, versetzte da Teffron. Er winkte Ghorn auf die Füße. An seiner rechten Hand schimmerte ein glatter grauer Ring. »Sie haben geheiratet, wie ich sehe.«
Ghorn stellte seine Frau und seine Tochter vor.
»Ich bin sicher, wir werden uns später noch sehen.« Da Teffron entließ die beiden.
Wie früher. Er kommt sofort zur Sache.
»Theta«, stellte sich die junge Frau vor, die zu Ghorns Überraschung bei ihnen blieb. Sie hatte grünen Lippenstift aufgelegt und trug ein weit fallendes, verspieltes Gewand. Demnach war sie sicher keine Soldatin. Vielleicht eine Leibwächterin? Ghorn entschied, dass es ihm gleich sein konnte. Er konzentrierte sich besser darauf, einen kompetenten Eindruck zu machen.
»Die Rekrutierungen laufen wie geplant.« Er ging seinen Gästen voran. »Die Rede des Regenten hat den Kampfesmut der Naats angestachelt. Ich habe zusätzliche Offiziere für die Aushebungszentren angefordert.«
Da Teffron lachte auf. »Die werden sich freuen. Die meisten der verweichlichten Brut würden lieber degradiert werden, als nach Naat zu kommen.«
Ghorn
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