058 - Der Duft von Sandelholz
um.
In einem Schrank mit Glastüren wurden die in rotes Leder gebundenen Foliobände aufbewahrt, die mit schwarzen Bändern verschlossen waren und Edwards Akten enthielten - seine geschäftliche Korrespondenz, Aufzeichnungen und dergleichen.
Die ledernen Bände waren ordentlich nach dem Alphabet sortiert, auf jedem Rücken stand ein goldschimmernder Buchstabe.
Aber dann fiel ihr Blick auf den großen Safe an der Wand. Nun, das war der Ort, wo Edward sicher seine wichtigsten Dokumente unterbrachte. Eilig lief sie dorthin, um ihn sich anzusehen, doch der Schrank war verschlossen. Die eiserne Tür gab nicht nach.
Sie begab sich zu Edwards großen Schreibtisch und machte sich daran, ihn nach einem Schlüssel zu durchsuchen. Was sie nicht alles darin fand: ein kleines Stundenglas, ein Sortiment ungespitzter Schreibfedern, F-sschen mit indigoblauer und se-piafarbener Tinte, Siegelwachs, ein silbernes Tablett mit pul-verisiertem Löschsand, ein Brieföffner, ein paar Schreibblätter, Kerzen und eine große Messingöllampe.
Die Uhr auf dem Sims über dem Kamin tickte pausenlos. Die Zeit verrann, sie musste sich mit ihrer Suche beeilen.
Ah! Plötzlich entdeckte sie einen kleinen Schlüssel unter dem kleinen Tablett mit Löschpuder. Sie lief zu dem Safe, aber ehe sie sich zu ihren Fähigkeiten als Spionin gratulieren konnte, hielt sie stirnrunzelnd inne.
Der Schlüssel passte nicht. Nun, wofür war er dann? Irgendetwas musste sich damit öffnen lassen.
Sie machte kehrt und ließ den Blick wieder durch das Arbeitszimmer schweifen.
Plötzlich erspähte sie ein zusammengefaltetes Stück Papier, das unter der ledernen Schreibtischauflage hervorsah.
Vorhin war es nicht zu sehen gewesen, aber sie musste die Unterlage bei ihrer Durchstöberungsaktion verrutscht haben. Sofort zog sie das Papier hervor. Sie faltete es auseinander. Es war ein Brief an „Eddie", geschriebenen von seiner Mutter.
Mrs. Lundy hatte eine Menge liebevoller Ratschläge hinterlassen, wie ihr Junge während ihrer Abwesenheit ordentlich auf sich aufpassen sollte. Sich ausruhen.
Gemüse essen. Lily konnte nicht anders, sie musste die Augenbrauen hochziehen.
Edward Lundy erschien zwar wie ein ungeschlachter Riese, aber anscheinend gab es eine Seite an ihm, da war er einfach nur ein ausgewachsenes Muttersöhnchen.
Während sie weiter über den geheimnisvollen Schlüssel nachdachte, las sie einen Abschnitt, der sie in Erstaunen versetzte.
Du musst Vertrauen haben und stark sein, bis ich zurück bin. Sorge dich nicht allzu sehr, und tröste dich damit, dass ich dich nicht im Stich lassen werde. Wenn dieses Wiesel von Anwalt hört, dass ich unterwegs bin, um persönlich deine Interessen in der Angelegenheit zu vertreten, wird er es nicht wagen, auch nur einen Moment länger mit uns zu spielen. Du darfst deine Karten nicht auf den Tisch legen, mein Lieber, und du musst sie alle in London beschäftigt halten. Keine Angst. Sobald der Verkauf der Plantagen unter Dach und Fach ist, werde ich sofort zu dir zurückkommen, und dann kann Sinclair zum Teufel gehen. Ich verspreche dir, alles wird wieder gut...
Verwirrt runzelte Lily die Stirn. War Mrs. Lundy nicht wegen ihrer Gicht nach Jamaika gereist? Aber dieses hier schien ein Hinweis auf eine ganz andere Erklärung zu sein. Aber der Rest des Briefes enthielt keine weiteren Hinweise darüber, nur noch weitere Ratschläge einer Glucke.
Nachdem sie ihn zu Ende gelesen hatte, schob Lily ihn zurück unter die Unterlage.
Sie versicherte sich, dass sie alles so in Edwards Schreibtisch zurückgelegt hatte, wie sie es vorgefunden hatte. Was konnte sie als Nächstes inspizieren? Ah ja, Edwards Akten in den Lederbänden.
Eine Herausforderung. Sie unterdrückte einen Seufzer, legte den kleinen Schlüssel auf die Schreibtischkante und ging hinüber zum Schrank. Sie griff nach dem kleinen Holzknopf an der verglasten Tür, aber als sie diese öffnen wollte, hielt sie den Knauf in der Hand. Kaputt! Sie fluchte leise, als die kleine Schraube, die ihn halten sollte, mit einem leisen Klappern zu Boden fiel.
„Verflixt", flüsterte sie und bückte sich, um die Schraube aufzufangen, ehe sie unter den nächsten Bücherschrank rollte. Sie warf einen Blick zur Tür des Arbeitszimmers und hoffte, dass niemand das leise Geräusch gehört hatte.
Als sie die Schraube aufheben wollte, fiel ihr Blick auf eine Buchreihe, die sich auf Augenhöhe mit ihr befand. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie bemerkte, dass
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