058 - Der Duft von Sandelholz
die Titel Lateinisch waren. Das ist ja der Gipfel der Schwindelei.
Edward verstand kein Wort dieser alten Sprache.
Plötzlich runzelte sie die Stirn. Etwas an diesen Büchern schien ihr merkwürdig. Sie waren zu - perfekt. Sie griff nach einem und wollte es aus dem Regal nehmen, dann stockte ihr der Atem. Es war gar kein richtiges Buch.
Nachdem sie die falschen Buchrücken mit einem Griff entfernt hatte, wurde ein langer, schmaler Safe sichtbar. Ein geheimes Versteck! Edward, du Teufel! Sie bemerkte das Schlüsselloch in der Mitte des Safes und lächelte spöttisch. Danach begab sie sich zum Schreibtisch, um den kleinen Schlüssel zu holen, den sie dort gesehen hatte.
Er passte perfekt.
Im Innern des Safes fand sie noch mehr Akten. Die richtigen Bücher, wie sie vermutete. Auf den ersten Blick schienen sie identisch zu sein mit jenen, die in dem Glasschrank so deutlich
zu sehen waren. Aber ihr Inhalt musste weitaus gewagter sein, um dieses Versteck zu rechtfertigen.
Sie zog den ersten Band mit der Aufschrift A-B heraus, legte ihn in ihren Schoß und löste das Band. Dann öffnete sie den Deckel und blätterte hastig durch die Sammlung loser Blätter und alter Briefe. Sie war ein wenig nervös über ihr unerlaubtes Tun und begann, etwas wie Verzweiflung zu fühlen - schließlich wusste sie nicht einmal genau, wonach sie überhaupt suchte. Als sie damit anfing, die Sachen durchzublättern, die unter dem Buchstaben B abgelegt worden waren, erstarrte sie.
Balfour, Lily.
Sie zog ein sorgfältig geschlossenes Bündel hervor glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Edward hatte einen Privatdetektiv angeheuert, der in ihrer Vergangenheit herumschnüffelte!
Ihre Kehle wurde trocken. Ihre Hände begannen zu zittern, und ungläubig überflog sie die Seiten.
Himmel, da standen Daten und Einzelheiten nicht nur über sie, sondern auch über ihren Großvater, seine Besitztümer, das Datum seines Todes, das Datum der Hochzeit ihrer Eltern, die Kirche, in der sie getauft worden war - selbst der Name ihrer ersten Gouvernante!
Lily war entsetzt.
Sie wusste, dass es unter den Reichen und Mächtigen nicht unüblich war, Nachforschungen über die zukünftige Braut anzustellen. Aber selbst das Ziel solcher Ermittlungen zu sein, war furchtbar für eine Frau, die - die Geheimnisse hütete.
Aber allmählich normalisierte sich ihr Herzschlag, und ihr Entsetzen begann nachzulassen. Wie durch ein Wunder wurde Lord Owen Masters in diesem Bericht nicht erwähnt. Der Familienkodex, Stillschweigen zu bewahren, musste genügt haben, um ihren Ruf sogar vor einem professionellen Ermittler zu wahren.
Schlimm genug, dass Edwards privater Spitzel herausgefunden hatte, dass ihr hitzköpfiger Cousin David, Pamelas jüngerer Bruder, betrunken bei einem Duell um die Ehre sein Leben verloren hatte. Wäre der arme David nicht so hitzköpfig gewesen, hätte er von Großvater den Titel geerbt. Aber da er in der Tradition der glücklosen Balfours die Selbstzerstörung gesucht hatte, warf der Junge dem falschen Mann vor, beim Kartenspiel zu betrügen. Er war getötet worden, nachdem er seinen Gegner schwer verwundet hatte.
Als sie von dem Hinscheiden ihres letzten Cousins las, legte sich ein Schatten auf ihr Gemüt. Hätte sie mehr Zeit gehabt, hätte sie die Balfour-Akte gründlicher gelesen.
Doch plötzlich kam ihr ein neuer Gedanke.
Sofort legte sie die Papiere in die Akte zurück, schloss die schwarze Schleife und beeilte sich, den Folioband wegzuräumen. Sie übersprang die anderen Buchstaben und ging direkt zu K - L. Was, wenn Edward in seiner übersteigerten Angst einen ähnlichen Bericht über Derek hatte anfertigen lassen?
Schließlich war der Major nicht Edwards Freund, so wie er es zu sein vorgab, eine Tatsache, die Derek Lily vor dem „Bull's Head Inn'* verraten hatte. Aber wusste Edward das auch?
Wenn dieser einfach nur mitspielte, wohl wissend, dass Derek tatsächlich sein Feind war, dann konnte das für den Major Schwierigkeiten bedeuten. Lilys Motive, nach einer solchen Akte zu suchen, waren aber nicht ausschließlich edler Natur. Ihr Ziel war es keineswegs, ihn nur zu beschützen.
Sie war schon einmal von einem gut aussehenden Schwindler hintergangen worden, und nach der letzten Nacht, als sie Derek in der Taverne in nicht gerade anständiger Begleitung vorgefunden hatte, war sie sich ihrer Verletzlichkeit nur zu bewusst geworden. Falls Derek ein Lügner war, dann war es am besten, dieser Tatsache jetzt ins Auge zu
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