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058 - Der Duft von Sandelholz

058 - Der Duft von Sandelholz

Titel: 058 - Der Duft von Sandelholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaelen Foley
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zuging.
    Ed Lundys Kostüm als Minotaurus war gelungen. Vielleicht ein wenig zu gelungen.
    Die erschreckende Größe und den breiten Stiernacken des Ungeheuers besaß er bereits, aber mit den riesigen, schimmernden Hörnern an seinem bemalten Kopf und dem Messingring an seiner Nase wirkte die Ähnlichkeit ein wenig beängstigend.

    Er hatte sie noch nicht bemerkt und stand einfach nur da, halb Mann, halb Stier -
    oder auch halb Riese. Er trank einen Schluck aus seinem Bierkrug und versuchte, ein lautes Rülpsen zu unterdrücken, als die Damen zu ihm traten. Lily bemühte sich nach Kräften, ihren Abscheu zu verbergen, aber Mrs. Clear-well gelang das nicht.
    Edward verneigte sich vor ihnen und äußerte ein paar ungeschickte Komplimente, doch Lily beschloss, sich nicht erschüttern zu lassen. Dann war er eben zuweilen ein wenig vulgär. Nach dem verkniffenen Anstand ihrer Mutter genoss ein Teil von ihr sogar die Derbheit des ehemaligen Soldaten. Außerdem würde sie nach ihrer Heirat Zeit haben, an seinen Manieren zu arbeiten.
    Der große, grobschlächtige Edward würde in den Augen ihrer Mutter nie gut genug für sie sein, aber Lilys Vorstellungen erfüllte er voll und ganz. Er hatte in der privaten Armee der East India Company ganz unten angefangen und vor Jahren in der Nähe von Bombay bei einem Besuch des britischen Würdenträgers Lord Fallow jenem das Leben gerettet, als es einen blutigen Überfall von Pindari-Banditen gab.
    Nachdem Edward ihn vor Folter und Tod bewahrt hatte, hatte Lord Fallow ihm diese mutige Tat gedankt, indem er ihm half, in der Gesellschaft aufzusteigen, und innerhalb von zwanzig Jahren hatte er einen der obersten Posten in der East India Company erreicht. Doch obwohl er dabei reich geworden war, wurde Edward von dem größten Teil der guten Gesellschaft noch immer ignoriert aufgrund seiner niederen Herkunft.
    Nun, Lord Fallow hatte nicht vor, seinen Liebling ausgeschlossen zu sehen. Nachdem er sich kürzlich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte, setzte der Earl durch, dass Edward ein wichtiges Amt in einem parlamentarischen Ausschuss übernahm, sodass er überall empfangen werden musste.
    Auf diese Weise hatte er Einlass in die Gesellschaft gefunden, doch jetzt, da er dort angelangt war, konnte er jede nur denkbare Hilfe brauchen, um sich in ihr zurechtzufinden. Welche bessere Verbündete könnte es da für ihn geben, dachte Lily, als eine Braut, deren aristokratische Herkunft ausreichte, um die arrogantesten Snobs in London zu beeindrucken?
    Natürlich würden alle denken, sie würde ihr Leben einfach wegwerfen, wenn sie sich an Edward Lundy band. Aber da ihre
    edle Familie dem finanziellen Ruin zutrieb, erschien ihr diese Verbindung wie ein Geschenk des Himmels.
    Edward besaß Geld, und Lily besaß Klasse. Er war nicht vollkommen dumm, dabei sehr reich, und als gesellschaftlicher Aufsteiger brauchte er eine Braut wie sie, so wie sie ihn brauchte - ein fairer Handel. Deswegen konnte Lily ihm vertrauen -
    wenigstens mehr als den glatten Schürzenjägern vornehmer Herkunft, die in Londons Ballsälen nach jungen Damen suchten, um sie zu verderben.
    Die Erfahrung hatte sie gelehrt, solchen Männern zu misstrauen. Edward mochte von niederer Abkunft sein, aber er behandelte sie wie ein Juwel, oder zumindest wie eine Art zerbrechliche Porzellanfigur. Er hielt ehrfürchtigen Abstand von ihr, vielleicht auch wegen ihrer vornehmen Herkunft und der Aura von Würde und Kühle, die ihre Mutter ihr so erfolgreich eingetrichtert hatte, und das war Lily nur recht. Er berührte sie nicht, und sie wollte nicht berührt werden.
    Als er ihr ein Kompliment machte zu dem schimmernden rosafarbenen Kleid, das zu ihrem Feenkostüm gehörte, bemerkte Lily die Gäste in der Nähe, die sie hochmütig betrachteten.
    Edward folgte ihrem Blick und wies die anderen mit seinem Mienenspiel zurecht. Sie fügten sich seiner stummen Warnung, wandten sich rasch ab, und Lily war zufrieden. Einige Mitglieder der Gesellschaft mochten sich insgeheim über Edward lustig machen, wenn sie glaubten, er würde nicht zuhören. Aber kaum jemand wagte es, dem harten Mann, der sich zum Millionär hochgearbeitet hatte, offen entgegenzutreten. Wenn sie seinen Cockney-Akzent vernahmen und sich sein militärischer Hintergrund zeigte, dann wussten alle, sie hielten sich besser zurück, denn dieser Stier würde sie zweifellos mit seinen Hörnern aufspießen.
    Obwohl Edward ein so dickes Fell hatte wie sein Kostüm es vermuten ließ,

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