058 - Der Duft von Sandelholz
zu sein, wenn seine neueste Eroberung erwachte. Sofern es sich vermeiden ließ, wollte er ihr aus dem Weg gehen. Nicht, dass er ein Gespräch mit ihr scheute, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass die 'Trennung umso leichter war, je diskreter er seine Geliebten verließ. Er mochte es, wenn die Dinge nicht zu kompliziert wurden, und er mochte einen sauberen Schnitt. Und jetzt wollte er den Tag damit beginnen, indem er bei Lord Sinclair vorsprach, dem Vorsitzenden des Ausschusses.
Er hoffte, dass der aufgeblasene Earl ihm sagen konnte, wie schnell die Frachtschiffe der Marine mit dem Gold der Armee nach Indien segeln würden.
„Guten Tag, Sahib."
Hastig bedeutete Derek seinem eilig auf ihn zukommenden Diener Aadi, möglichst leise zu reden. Dabei warf er einen Blick zu der geschlossenen Schlafzimmertür. Es war wirklich nicht nötig, die Tigerin zu wecken. „Guten Morgen, Aadi", erwiderte er in einem Flüsterton. „Ist das Frühstück fertig?"
„Ja, Major. Ihr Bad ebenfalls. Wir - äh - nahmen an, Sie würden heute Morgen ausgehen."
„Ja", sagte Derek und war froh, dass seine treue Dienerschaft seinen Tagesablauf kannte. „Du wirst dich an meiner Stelle um die Dame kümmern, wenn sie erwacht, ja? Dafür sorgen, dass sie alles hat, wenn ich fort bin?"
„0 ja, Sahib. Wie immer."
Derek sah den Diener, der sich verbeugte, mit hochgezogener Augenbraue an. Er unterließ es aber, diese Bemerkung zu kommentieren, stattdessen ging er an dem Inder vorbei und folgte seiner Nase Richtung Küche.
„Major, was soll ich der Lady sagen, wenn sie uns fragt, wohin Sie gegangen sind?", fragte Aadi ihn auf Bengalisch und deutete mit einer Kopfbewegung auf die verschlossene Schlafzimmertür.
„Ach, ich weiß nicht - sag ihr, ich wäre in Angelegenheiten der Armee unterwegs", erwiderte er in der Muttersprache seines Dieners und zuckte die Achseln. „Sag ihr, was immer du willst, sorge nur dafür, dass sie nicht mehr da ist, wenn ich zurückkehre. Und komm ihr nicht zu nahe", fügte er mit einem letzten Blick über die Schulter hinzu, während er mit wehendem Mantel den Gang hinunterschritt. „Sie beißt."
Es dauerte nicht lange, dann hatte er sich angezogen und etwas gegessen. Jetzt schritt er über den Haymarket in Richtung des eleganten Stadthauses, in dem Lord Sinclair wohnte. Er ging zu Fuß, denn es war nicht sehr weit, und wenn er ehrlich war, so wollte er sich auf keinen Fall zu sehr beeilen. Seine Dienstboten sollten genügend Zeit haben, um Lady Amherst aus dem Haus zu bekommen.
An einer Straßenecke blieb er stehen. Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen, darauf wartend, dass endlich eine Kutsche an ihm vorbeifuhr. In diesem Moment bemerkte er einen Blumenladen, der sich direkt hinter ihm befand. Seinen Weg setzte er nicht fort, sondern er machte kehrt und ging in das Geschäft hinein.
Er bestellte Blumen für Mrs. und Mr. Brooks, um seine Dankbarkeit für die Einladung zum gestrigen Maskenball auszudrücken, aber tatsächlich diente diese höfliche Geste noch einem anderen Zweck. Während der Florist den Strauß hübsch anordnete, beugte sich Derek über den Ladentisch und schrieb eine kurze Nachricht, die zusammen mit den Blumen überbracht werden sollte.
Nachdem er seine Dankbarkeit ausgedrückt und den Gastgebern zu dem gelungenen Abend gratuliert hatte, erschien ein gewitztes Lächeln auf seinem Gesicht. Er überlegte, wie er den Ohrring zur Sprache bringen sollte. Schließlich tauchte er die Feder ins Tintenfass und schrieb:
Ich glaube, einer Ihrer Gäste hat im Garten einen Ohrring verloren, denn gestern Abend fand ich einen, als ich Ihren Besitz bewunderte. Dummerweise vergaß ich, ihn bei Ihnen abzugeben, ehe ich ging. Seien Sie versichert, dass ich ihn gut aufbewahrt habe. Ich nehme an, dass sich die rechtmäßige Eigentümerin bald bei Ihnen melden wird. Wenn sie die Freundlichkeit besäßen, mir Namen und Adresse der betreffenden Lady zu übermitteln, werde ich dafür sorgen, dass sie ihn umgehend zurückerhält.
Nochmals vielen Dank für die Freundlichkeit, die Sie einem Neuankömmling in London erwiesen haben. Ganz der Ihre,
Major D. Knight."
Zufrieden mit seiner Anfrage, lachte er leise in sich hinein, bezahlte den Floristen und begab sich weiter zu Lord Sinclairs Haus. Mary Nonesuch würde sehr verstimmt sein, wenn sie herausfand, dass sie so überlistet worden war.
Er dachte darüber nach, wie wohl ihr richtiger Name lauten mochte. Doch damit musste er aufhören, als er
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