058 - Der Duft von Sandelholz
möglich war zu überleben? Bei all dem Rauch konnten sie kaum atmen, und er reparierte mitten in der Schlacht einen verdammten Nachschubwagen. Warum half ihm denn niemand?
Wolken von schwarzem Pulverdampf umgaben ihn, als er sich umdrehte, um jemanden zu suchen, der ihn bei seinem Tun unterstützte. Doch als er sich umdrehte, musste er sehen, wie einem jungen Gefreiten die Beine weggeschossen wurden. Er unterdrückte einen Laut, und sein erster Gedanke war, den Jungen in seinen Wagen zu legen. Er rannte auf ihn zu. Er hörte die Schreie des jungen Gefreiten durch den Pulverdam,pf aber er konnte ihn nicht finden. Und dann bemerkte er auf einmal, dass er unbewaffnet war.
Gütiger Himmel, musste er ausgerechnet jetzt seinen Degen vergessen?
Er wachte auf, fuhr entsetzt im Bett hoch und griff automatisch nach seiner Waffe.
Schwer atmend ließ er den Blick durch den Raum gleiten. Erst jetzt bemerkte er, dass er nicht in seinem Zelt lag, dass er nicht im Krieg war und dass heute keine Maratha-Bastarde kommen würden, die versuchen wollten, ihn umzubringen.
Nicht hier.
London.
Genau.
Für einen Moment schloss er die Augen, rieb sich das Gesicht, stieß erschöpft Luft aus und bemühte sich nach Kräften, die schläfrige Benommenheit abzuschütteln. Es war nur ein Traum. Derselbe wie immer.
Er erschauerte, schließlich fuhr er sich langsam mit der Hand durchs Haar.
Lady Amherst schlief friedlich neben ihm und ahnte nichts von seiner persönlichen Hölle.
Derek lehnte sich zurück an den Kopfteil des Bettes, mit zerzaustem Haar und nacktem Oberkörper, das Laken über seine Hüften gebreitet.
Er bemühte sich weiterhin, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Er rieb sich nachdenklich das Kinn, das eine Rasur benötigte, aber die schrecklichen Bilder lauerten noch immer in seinen Gedanken. Um sich abzulenken, richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Frau neben sich, konzentrierte sich auf ihre leisen Atemgeräusche. Er betrachtete sie gründlich.
Im fahlen Morgenlicht konnte er ihre üppigen Rundungen erkennen, aber Lady Amhersts Gesicht war in den Kissen und hinter ihrem Haar verborgen. Neben der fest schlafenden Frau fühlte er sich umso einsamer.
Die Spuren ihrer Vergnügungen waren überall im Zimmer verteilt. Auf dem Boden lagen Kleidungsstücke. Die kleine Flasche mit dem exotisch duftenden Öl, das er in ihre Haut einmassiert hatte und sie in seine. Leere Weinflaschen. Kerzen, die zu kleinen Teichen geschmolzen waren und jetzt harte Wachsplatten bildeten.
Sie hatte all seine Wünsche erfüllt und ihn befriedigt. Aber wenn er sich in der vergangenen Nacht so ganz hatte ausleben dürfen, warum fühlte er sich dann augenblicklich wieder so leer?
Derek seufzte leise, dann sah er sich um, rastlos und voller Unbehagen, bis er seine Weste auf dem Boden neben dem Bett entdeckte.
Er streckte den Arm aus und holte den Diamantohrring des geheimnisvollen Mädchens aus der Innentasche. Er lehnte sich wieder im Bett zurück, und der Anblick, wie der Stein in seiner Hand wie ein Stern funkelte, die Erinnerung an Mary Nonesuch zauberte die Spur eines sehnsüchtigen Lächelns auf seine Lippen.
Verdammt, wer mochte sie nur sein? Und was hatte sie überhaupt da draußen im Gartenpavillon zu suchen, wenn sie nicht auf einen Liebhaber wartete? Er wusste es nicht. Und ebenso wenig konnte er erklären, warum der Gedanke an sie ihm Lin-derung verschaffte. Sie erschien ihm wie ein beruhigendes Elixier für seine wunde Seele.
Ich werde dich finden, wer immer du sein magst, dachte er. Sich so lange zu gedulden, bis sie zu ihm kam, erschien ihm nicht mehr so verlockend wie noch am gestrigen Abend. Er kannte nicht einmal ihren Namen, doch aus irgendeinem Grund fühlte er sich ihr näher als der Frau in seinem Bett.
Als ihm plötzlich ein Duft aus Purnimas Küche in die Nase stieg, knurrte ihm unweigerlich der Magen. Derek warf die Decke zur Seite, vorsichtig darauf achtend, seine Bettgefährtin nicht zu wecken.
Er stand auf und stieg in ein Paar weite weiße Hosen. Als er sie über der Taille schloss, hielt er inne und bemerkte erschrocken die leichten Bissspuren, die Lady Amherst auf seinem Bauch hinterlassen hatte, direkt an seinem Nabel. Verflixt, das hatte er vergessen.
Mit einem spöttischen Lächeln schlüpfte er in einen weiten Morgenmantel aus dunkler Seide, dann verließ er lautlos das Zimmer und schloss die Tür hinter sich zu.
Er hatte einiges zu erledigen. Aber er hatte, wenn er ehrlich war, auch keine Lust, hier
Weitere Kostenlose Bücher