058 - Der Duft von Sandelholz
auf der Suche nach einem wohlhabenden Ehemann -, so war Major Knight als Einziger unhöflich genug gewesen, es ihr ins Gesicht zu sagen. Was sie betraf, so konnte er zum Teufel gehen.
Es war nicht schwer für ihn, sie zu verurteilen. Für Männer gab es unzählige Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Sie konnten eine umfassende Ausbildung erhalten oder ein angesehenes Handwerk erlernen, aber Frauen war dies nicht erlaubt, und Damen schon gar nicht. Was hatte ihre Mutter gesagt? Für Damen von Stand gab es nur einen einzigen Weg, und das war der einer vorteilhaften Eheschließung.
Mochte Derek Knight sie verspotten, wenn er so ungalant sein wollte. Ihm stand mit seinen zahllosen Vorteilen, der reichen Familie, den mächtigen Verbindungen und seinen Talenten die ganze von Männern regierte Welt offen. Ruhm und Ehre - als wenn es darum wirklich gehen würde.
Würde er es noch ein einziges Mal wagen, auch nur ein unhöfliches Wort ihr gegenüber zu äußern, dann würde sie ihn so zurechtweisen, dass er es niemals vergessen würde. Und es wäre ihr egal, wer zuhörte.
Damit verbannte sie Derek Knight aus ihren Gedanken und konzentrierte sich auf Edward Lundy.
An diesem Abend war sie recht beeindruckt von ihrem Verehrer. Edward benahm sich hervorragend, wohl auch deshalb, weil der Gastgeber, Lord Fallow, sein langjähriger Gönner war.
Edward sah gut aus in seinem pflaumenblauen Frack und den cremefarbenen Hose.
So elegant hatte Lily ihn noch nie gesehen. Er schien sich etwas unbehaglich zu fühlen - vielleicht hatte sein Kammerdiener das Halstuch zu sehr gestärkt -, aber alles in allem war Lily zufrieden und hätte sich am liebsten selbst auf die Schulter geklopft, weil sich sein Erscheinungsbild so sehr verbessert hatte. Offenbar hatte sie einen guten Einfluss auf ihn.
Als Paar, das sich anerkannt in der Zeit der Werbung befand, spazierten sie durch eine Halle mit Statuen. Der Fußboden mit dem Schachbrettmuster erstreckte sich in weiter Entfernung unter den weißen Säulen, die durch hochgewölbte Bögen miteinander verbunden waren. Die Architektur der Halle hatte man betont schlicht und sachlich gehalten. Die Wände waren in einem hellen Graublau, sodass sie einen unauffälligen Hintergrund für die Heldenstandbilder aus Bronze bildeten. Die dargestellten Männer boten sich den Blicken der Gäste in dramatischen Posen dar, während die griechischen Philosophen in Form von antiken Alabasterbüsten aus ihren Wandnischen alles zu beobachten schienen.
Die Halle ging in einen sorgfältig angelegten Garten über, die Verbindung bildete ein rechteckiger Hof, um den das Haus errichtet worden war. Kniehohe Büsche waren zu kunstvollen Gebilden gestutzt worden, dazwischen konnte man Pflanzen mit üppigen Blüten ausmachen. Die Abenddämmerung hatte eingesetzt, aber zierliche Laternen beleuchteten den Platz, an dem der Pianist und seine Begleitung demnächst ihr Konzert unter dem Sternenhimmel veranstalten würden. Das große Pi-anoforte war bereits mitten im Garten aufgestellt worden, und die Papierlampions spiegelten sich auf der glänzenden Oberfläche.
Im Augenblick spielte noch ein Harfenist in der Halle, seine Musik war eine elegante Untermalung für den Beginn des Abends. Die Gäste gingen leise umher, tranken leichten moussierenden Wein oder andere Erfrischungen, bevor das Privat-konzert anfangen sollte.
Lily zog Edward beiseite, um einen Mosaiktisch zu bewundern. Unter Glas zeigte der Tisch Intarsienarbei ten mit den verblassenden, aber immer noch farbenfrohen, antiken römischen Scherben. Lily konnte es kaum fassen, als Edward sein Weinglas darauf abstellen wollte, aber dann hielt er inne und sah sie mit einem Zwinkern in seinen haselnussbraunen Augen an, sodass sie erkannte, dass er nur scherzte.
„Erschrecken Sie mich nicht so1', flüsterte sie mit einem tadelnden Lächeln und legte die Hand auf ihr Herz.
Lachend wandte er sieb ab. „Na, endlich ist da jemand, den ich kenne", sagte er und sah mit zusammengekniffenen Augen zum fernen Eingang des Ballsaals.
Lily folgte seinem Blick, aber als sie sah, wen Edward meinte, erstarrte sie.
Es war Derek Knight - mit einer anderen Frau.
Er trug keine Uniform, sondern elegante Abendkleidung in Schwarz und Weiß. Sie heftete ihre Augen auf seine wilde schwarze Mähne, die er an diesem Abend offen trug - ein gewaltiger Kontrast zu seinem eleganten Anzug.
Sein langes Haar, schimmernd und kräftig, reichte ihm bis zu den breiten Schultern.
Es verlieh ihm ein
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