058 - Der Duft von Sandelholz
fühlte sich etwas unwohl wegen ihrer früheren Anschuldigung,
er wäre nur aus selbstsüchtigen Gründen zum Militär gegangen.
Aber es war für ihren Seelenfrieden einfacher gewesen, als sie Derek Knight als hedonistischen Schürzenjäger oder doch zumindest als bezahlten Abenteurer ansehen konnte.
Nun, da sie die dunklen Tiefen hinter seinem schneidigen Äußeren entdeckt hatte, konnte sie sich der Erkenntnis nicht entziehen, dass all seine amourösen Eroberungen von mehr als nur sinnlichem Genuss getrieben waren. Er benutzte diese Frauen, um seinen Dämonen zu entfliehen, als wäre die Liebe eine Art Betäubungsmittel, als könnte er seinen Geist mit der körperlichen Leidenschaft besänftigen.
Das zu wissen, machte es ihr jedoch nicht leichter, am Ende des Abends zu sehen, wie die eifrig lächelnde Mrs. Coates noch immer an seinem Arm hing.
Lily zuckte zusammen, als das strahlende Paar durch die Tür hinaustrat. Aber dann senkte sie den Blick. Denn das Schlimmste war, dass sie das nur zu gut kannte - Trost zu suchen in den Armen von jemandem, dem nicht wirklich etwas an einem lag.
Auch wenn es für den Augenblick den Schmerz dämpfte, so fühlte man sich am Ende doch nur noch schlechter.
Derek ...
Auf dem ganzen Weg nach Hause hatte Lily, während ihre Patin plauderte, nur wenig zu sagen.
Aus Gründen, die er selbst nicht verstand - Gründe, die infra-ge zu stellen er nicht wagte -, setzte Derek die hinreißende Mrs. Coates vor ihrem eleganten Stadthaus ab. Ihre Einladung in ihr Bett lehnte er ab. Er wusste, dass seine Zurückweisung sie schockierte. Um genau zu sein, hatte es ihn selbst schockiert, aber verdammt - er hatte an diesem Abend keine Lust, irgendwem zu Diensten zu sein. War das so falsch?
Er weigerte sich, zu glauben, dass der plötzliche Abscheu vor einer Liebesnacht mit Fanny Coates irgendetwas mit Lily Bai-four zu tun haben könnte.
Stattdessen wandte er seine Aufmerksamkeit praktischen Dingen zu. Er hatte Verschiedenes zu erledigen. Er fühlte sich ruhelos und noch immer bedrückt, aber er wollte sich nichts anderes als Grund eingestehen, als dass dies der richtige Zeitpunkt war, um mit seinen Ermittlungen fortzufahren.
Die nächtliche Dunkelheit eignete sich hervorragend für ein paar heimliche Nachforschungen, eine ideale Gelegenheit, die Häuser der Ausschussmitglieder zu beobachten. Im Schutz der Dunkelheit konnte er ihnen leicht nachspionieren, ohne Gefahr zu laufen, entdeckt zu werden.
Damit ging er zurück nach Althorpe, legte vollkommen schwarze Kleidung an und sattelte sein Pferd. Es dauerte nicht lange, dann war er zum Nordwesten Londons unterwegs, wto der höchstrangige Magnat der East India Company in einer eleganten Villa residierte.
Unterwegs, während sein Pferd, das er von Tattersall's hatte, in gleichmäßigem Trab förmlich durch die Dunkelheit glitt, ging er noch einmal die Ereignisse des Abends durch. Es war eine ergebnisreiche Nacht gewesen, selbst ohne die neuen Entwicklungen zwischen ihm und Lily.
Er hatte Lord Sinclair beim Konzert getroffen und dessen scharfsinnige, aber glücklicherweise falsche Einschätzung seines Charakters durch die Anwesenheit der heißblütigen Schönheit an seinem Arm nur noch unterstrichen. Zuerst hatte Derek sich gekränkt gefühlt, dass der Earl ihn für einen typischen Angeber hielt, so wie sie in der Kavallerie üblich waren, aber inzwischen hatte er das Gefühl abgeschüttelt.
Es schadete nie, wenn der Feind einen unterschätzte. Sich bei gesellschaftlichen Anlässen mit Damen wie Mrs. Coates zu zeigen, die einem am Ohrläppchen knabberten, hielt eine nützliche Illusion aufrecht. Wenn Sinclair ihn für einen beschränkten Wilden hielt, der sich sinnlichen Genüssen hingab und daher leicht zu beeinflussen war, dann ließ er vielleicht in seiner Wachsamkeit nach. Vielleicht war es Derek dadurch möglich, die Wahrheit herauszufinden. Was war mit den dreihunderttausend Pfund Sterling passiert?
Bisher hatte er weder eine Antwort darauf noch das Geld gefunden. Aber auch wenn Lord Sinclair vermutlich nicht derjenige war, der für die Unterschlagung verantwortlich gemacht werden konnte - für jeden fehlenden Betrag trug er als Vorsitzender die Verantwortung -, traute Derek dem alten Burschen trotzdem nicht.
Im Lauf der Woche hatte Lundy ihn über alles informiert, was im Ausschuss hinter verschlossenen Türen vor sich ging. Ihm zufolge war Sinclair immer noch entschlossen, die Angelegenheit zu klären, ohne das Innenministerium
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