058 - Der Duft von Sandelholz
Lächeln.
Lily ließ seinen Arm los und blieb neben ihm stehen, als sie zum Flussufer kamen und die Strömung beobachteten.
„Das Leben, Miss Balfour", sagte Derek nach einer langen Pause, „ist nichts für schwache Gemüter, nicht wahr?"
„Nein", flüsterte sie und erwiderte seinen ernsten Blick.
Ganz plötzlich, ohne dass er es erwartet hätte, überkamen ihn heftige Gefühle.
Tränen, die er nicht vergossen hatte und die ihn jetzt zu ersticken drohten, das Echo von tausend Schreien, die er nie von sich gegeben hatte, die unendliche Verzweiflung, die nach heftigen Gewaltausbrüchen zurückblieb. Manchmal fragte er sich, wie es möglich war, dass er sich noch aufrecht hielt. Der Nachthimmel schien sich zu drehen, wie überhaupt alles um ihn herum. Er stand einfach nur da, neben ihr, und fühlte sich vollkommen hilflos.
Nach einer Weile streckte sie behutsam die Hand aus und ergriff die seine.
Sie hielt den Blick weiterhin unverwandt auf sein Gesicht gerichtet, als wollte sie seine Seele erforschen, mit unendlicher Behutsamkeit.
„Kommen Sie", flüsterte sie. Sie drückte seinen Arm fester und drehte ihn in Richtung Haus, von wo wie aus weiter Ferne Musik und Lichter zu ihnen drangen.
Derek sah sie an.
Er sagte kein Wort mehr zu ihr, während sie langsam zurückgingen.
Sie dagegen schon.
Sie plapperte so lebhaft wie ein Papagei, als wüsste sie, dass er nur ihrer Stimme folgen musste, um den Weg aus der Finsternis zurückzufinden. Beiläufig plauderte sie über die Blumenbeete hier, das verzierte Vogelbad dort, die Hors d'ceuvre, die sie im Haus erwarteten. Er achtete nicht sehr auf ihre Worte, aber irgendwie führte ihn ihr beruhigender Tonfall fort von den trostlosen Orten in seinem Innern, die dort mit den Jahren ganz von selbst entstanden waren.
Als sie den Steinbogen erreichten, der sie wieder in den Hof führte, zurück in das lebhafte Treiben der Zivilisation, brachte er endlich ein Lächeln zustande.
Und dann kehren wir wieder zu unseren Partnern zurück.
Sie blieb stehen und drehte sich ihm zu, betrachtete ihn mit einem forschenden Blick, der ihre Sorge um ihn nicht verhehlen konnte. Dadurch spürte er den Schmerz etwas weniger. Warum es heute Abend überhaupt schmerzte. Er war so gut darin geworden, seine Gefühle zu ignorieren, aber in ihrer Gegenwart fiel es ihm nicht so leicht wie gewöhnlich.
„Wissen Sie, Major", sagte sie mit einem Lächeln, „ich habe mich bisher noch gar nicht dafür bedankt, dass Sie meinen Ohrring gerettet haben. Danke schön."
Er verneigte sieh, völlig bezaubert von ihr. „Wenn noch irgendetwas gerettet werden soll, Miss Balfour, lassen Sie es mich wissen."
„Das werde ich. Und Major ..." fügte sie hinzu, als er sich zum Gehen wandte.
Derek blieb stehen und sah sie fragend an.
Sie biss sich auf die Lippen. „Ich glaube, Sie wissen, dass Sie mich Lily nennen dürfen."
Er zog die Brauen hoch. „Darf ich das wirklich?"
„Nun - natürlich nur, wenn niemand dabei ist."
„Natürlich - Lily", wiederholte er und genoss dieses kleine Geschenk. Er wollte sie nicht verlassen, aber er konnte nicht anders. Er gab sich damit zufrieden, den Blick über ihre schlanke Gestalt gleiten zu lassen. Dann lächelte er etwas schief. „Beste Grüße an Edward."
„Viel Spaß mit Mrs. Coates."
Er schnipste mit den Fingern. „Stimmt. Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr an ihren Namen erinnern."
Sie schüttelte den Kopf, machte aber keine Anstalten, ihn noch länger aufzuhalten.
Er nickte und ging davon, überzeugt davon, dass seine unbekümmerte und sorglose Maske wieder an der richtigen Stelle saß.
Lily sah ihm ebenso besorgt wie liebevoll nach, als er in den Hof zurückkehrte.
Es dauerte nicht lange, dann befand sie sich wieder in Edwards Gesellschaft, mit Mrs. Clearwell in der Nähe, die sie mit unverhohlener Neugier betrachtete. Sie wusste, ihre Gönnerin brannte darauf, sie zu fragen, worüber sie mit Derek auf ihrem Weg hinunter zum Fluss gesprochen hatte. Aber Lily war sich nicht sicher, was sie sagen sollte.
Sie hatte mehr über das erfahren, was diesen Mann trieb, und was sie gesehen hatte war - Schmerz. Sie fühlte mit ihm.
Sie wusste aus eigener Erfahrung, wie schrecklich weh es tat, in jungen Jahren einen Elternteil zu verlieren. Aber darüber hinaus hatte Derek auch noch das Elntsetzen des Krieges durchlebt. Offensichtlich hatte sein tapferer Dienst ihn ebenso viel
-wenn nicht noch mehr - gekostet, wie es ihm gebracht hatte. Sie
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