058 - Der Duft von Sandelholz
mehr Zufriedenheit empfunden als je zuvor in ihrem Leben, nur durch das Wissen, ihm geholfen zu haben.
Das war es wert.
Das war der Teil, der ihr am meisten Furcht einflößte - nämlich die Tatsache, wie sehr sie ihn mochte.
Dennoch, indem sie ihre Ohrringe weggegeben hatte, war ihr noch weniger Besitz geblieben, und sie hatte einen Grund mehr, Edward zu heiraten.
Zumindest hatte sie Vorkehrungen getroffen, um ihren Ruf zu schützen. Sie hatte den Handel mit dem Kutscher auch unter der Voraussetzung abgeschlossen, dass er nichts davon verriet, die Ohrringe bekommen zu haben. Die Gier hatte seine Bereitschaft zur Diskretion geweckt. Er hatte nicht einmal nach ihrem Namen gefragt, aber das war Lily nur recht.
Es war nicht nötig, dass Edward von ihrem Opfer erfuhr, und was Derek betraf -
wenn er nicht von ihrer großherzigen Gabe wusste, dann würde das seinen Stolz schonen und er würde nicht merken, welch dumme Zuneigung sie für ihn zu entwickeln begann.
Dennoch bedauerte sie nicht, was sie getan hatte, denn sie konnte sich unmöglich vorstellen, dass ein entscheidungsfreudiger, freier Geist wie er irgendwo in Newgate eingesperrt war.
Ihr gegenüber saß Mrs. Clearwell und sah sie an, als wären ihr plötzlich zwei Köpfe gewachsen. „Wenn wir zu Hause sind, meine Liebe, dann werde ich wohl eine Kanne Tee kochen, und wir zwei werden uns einmal unterhalten."
O je! „Ja, Madam", murmelte sie, erschüttert von dem missbilligenden Tonfall, den sie so selten von ihrer Patin hörte - nicht, dass sie ihr nach diesem Spektakel noch einen Vorwurf deswegen machte.
Aber als die Barouche vor dem gemütlichen Haus ihrer Gönnerin zum Stehen kam, sah Lily, dass ihre Probleme unglücklicherweise noch längst nicht vorüber waren.
Edward war schon da. Und er wartete auf sie.
Oh Gott! Sie war den ganzen Tag über mit Derek unterwegs gewesen. Und dann das Debakel auf der Straße! War sie bereits ertappt? Aber wie konnte das geschehen?
Was sollte sie sagen?
Sie wusste nur, dass der Anblick seiner großen schwarzen Kutsche vor Mrs.
Clearwells kleinem Haus ihr Übelkeit verursachte.
Panik erfasste sie, als sie sich den zweifellos zornigen Anfall von Eifersucht bei ihrem kräftigen Verehrer vorstellte. Sie warf ihrer Patin einen erschrockenen Blick zu. Mrs.
Clearwell erwiderte den Blick mit einem aufmunternden Nicken. Ihre Unterstützung half Lily, die Panik zu unterdrücken, doch ein Gefühl, dem Verhängnis nahe zu sein, überkam sie - und Schuldbewusstsein.
Vertrautes Schuldbewusstsein. Es war wieder da. Edward würde sie jetzt zurückweisen, davon war sie überzeugt. Und was sollte sie dann ihrer Mutter sagen?
Sie war nicht sicher, vor wem sie sich in diesem Augenblick mehr fürchtete: Edward oder Lady Clarissa mit dem durchdringenden Blick.
Aber jetzt war es zu spät. Ach, verdammt sollte er sein. Sie hatte auf den ersten Blick erkannt, dass Derek Knight ihr Leben zerstören würde. Wie war sie nur auf die Idee verfallen, ihr Anliegen mit Edward durchzuziehen, wenn sie doch vor Jahren schon bewiesen hatte, dass sie sich nicht beherrschen konnte?
Als Gerald die Kutschentür für sie öffnete und die kleine Treppe herunterließ, schloss Lily kurz die Augen und stellte sich
vor, wie man in der Gesellschaft über sie lachen würde, wenn das hochmütige Balfour-Mädchen von einem groben Klotz wie Edward Lundy sitzen gelassen worden war.
Das geschieht einer, die sich ein Vermögen angeln will, würden sie sagen. Und wie Bess Kingsley sich freuen würde, wenn sie die Nachricht von ihrem Unglück erfuhr.
Aber dann war es eben so.
Langsam stieg Lily aus der Kutsche und ging mit wild klopfendem Herzen zum Haus.
Sie konnte nichts anderes mehr tun, als sich wappnen und ihrem Schicksal mit Würde entgegentreten.
Der Butler hatte Edward in den Salon geführt, wo das Satinsofa unter seinem massigen Körper winzig klein wirkte.
Lily zwang sich zu einem tapferen Lächeln, als sie eintrat, um ihn zu begrüßen. Er erhob sich, den Hut in der Hand. Aus dem Augenwinkel sah sie im Spiegel über dem Kaminsims ihr Bild, im Gesicht ein starres Lächeln.
Sie war entsetzt darüber, wie ähnlich sie jetzt ihrer Mutter sah.
Nur dass ihr die Ohrringe fehlten.
Ich bin verdammt, dachte sie.
Edward verneigte sich. „Miss Balfour."
„Mr. Lundy." Sie wollte ihm die Hand reichen, bis sie merkte, dass sie immer noch die Modezeitschriften darin hielt.
Die mit den Brautkleidern.
Stattdessen nickte sie nur zur Begrüßung. „Wie
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