058 - Gänsehaut

Flucht. Lazzerini und der Tonmeister liefen auf die breite Glasfront zu, um im Schneideraum ans Telefon zu stürzen und von außen Hilfe herbeizuholen. Unterdessen tobte der Kampf gegen das Monster weiter.
    »Kommen Sie!«, rief Dorian dem neuen Regieassistenten zu.
    Machiavelli hörte nicht auf ihn. Wütend hob er beide Fäuste und drohte dem Monster. Dorian wollte ihn mit sich aus dem Studio-Urwald zerren, aber Machiavelli riss sich los und griff nach einer auf dem Boden liegenden Eisenstange.
    Inzwischen hatte ein Kameramann den Stecker wieder aus der 380-Volt-Dose gezogen.
    Giulio Machiavelli hob die Metallstange und ließ sie gegen den Rumpf des Monsters krachen. Es entstand ein dumpfer Laut – das war alles. Röchelnd arbeitete sich das Monster zu dem muskulösen Mann vor, die Augen wild rollend. Unvermittelt zuckten die Vorderläufe vor. Krallen rissen Machiavellis Hemd in Fetzen. Der Mann hatte blutige Striemen auf der Brust. Er schrie, wollte wieder mit der Stange zuschlagen, doch das Monster holte kurz mit der rechten Pranke aus, und schon segelte die Stange in hohem Bogen durch die Luft. Beinahe hätte sie einen Beleuchter getroffen, der sich jedoch gerade noch rechtzeitig durch einen Sprung in Sicherheit bringen konnte.
    Das Monster packte Machiavelli. Er schrie und wehrte sich; wahrscheinlich hatte er es nur seinen Muskeln zu verdanken, dass es ihn nicht sofort zerquetschte. Machiavelli strampelte mit den Beinen und drosch mit den Fäusten auf die Schuppenhaut der Bestie ein. Sie war drauf und dran, ihn zu verschlingen.
    Coco hatte ihre Bemühungen abgeschlossen. Die Fackel war fertig. Sie hatte das Manuskriptpapier um das eine Ende der Latte gewickelt, mit einem Stück Draht umspannt und es mit Spiritus, den einer der Beleuchter in aller Eile aus der Gerätekammer besorgt hatte, übergossen. Coco hielt ihr Feuerzeug an die Fackel.
    Dorian nahm sie an sich und lief auf das Monster zu. Das Ende der Latte brannte mittlerweile lichterloh. Der Dämonenkiller wusste, dass die Fackel das einzige Mittel war, um dem Regieassistenten das Leben zu retten.
    Er zögerte keine Sekunde. Er stieß die Fackel hoch und brachte die Flamme bis vor das grässliche Maul der Bestie. Machiavelli wurden die Hosen angesengt, aber das war geringfügig im Vergleich zu dem, was ihm durch das Monster bevorstand. Unablässig stieß Dorian dem Scheusal die Feuerzunge in den Rachen – dann hatte er Erfolg.
    Das Monster brüllte und ließ Machiavelli los. Er fiel aus zwei Meter Höhe zu Boden. Geschickt rollte er sich ab, sprang auf und brachte sich aus dem Radius der schlagenden Monsterpranken.
    Dorian ließ keinen Augenblick von dem fauchenden Monster ab. Dieses versuchte, den Schädel und das Maul vor den zuckenden Flammen zu schützen, aber ohne Erfolg. Daraufhin wollte es sich in Sicherheit bringen. Doch auch das verhinderte Dorian – geschickt verstellte er der Bestie den Weg. Mal steckte er ihr die Fackel tief in den Rachen, mal versengte er ihr die Schuppenhaut. Plötzlich fing das Monster Feuer.
    Unter großer Rauch- und Geruchsentwicklung breiteten sich die Flammen auf dem Leib der lebenden Attrappe aus und fraßen sich bis in ihr Inneres vor. Die Augen des Monsters wollten hervorquellen; es war wie gelähmt vor panischer Angst.
    »Das Wasser ablassen!«, ordnete Jeff Parker geistesgegenwärtig an. »Los, legt sofort den Tümpel trocken!«
    Zwei Männer rannten hinter die Kulissen. Parkers Anweisung war keine Sekunde zu früh gekommen, denn das Monster stapfte nun ächzend auf Dorian zu, um ihn doch noch zu überrennen und sich in den Tümpel zu retten.
    Doch der Tümpel war trocken, als es dort eintraf. Enttäuscht und wütend schwenkte es herum und streckte die Vorderläufe von sich. Sein Schreien war grausig, schien direkt aus den Tiefen der Hölle zu kommen.
    Knisternd stiegen die Flammen von seinem Körper auf. Die Glut verzehrte die Masse, die letztlich doch nur aus verschiedenen Kunststoffen und einer komplizierten Mechanik bestanden hatte. Mit dem Zusammenschrumpfen der verkohlten Gliedmaßen entwich auch das Leben aus dem Filmmonster. Die Männer und Frauen des Teams vernahmen noch einen durchdringenden Schrei. Er ging ihnen bis ins Mark.
    Dann fuhr ein rötlicher Blitz zum Studiodach empor, mitten hindurch und verschwand.
    »Das war keine normale Flamme«, stellte Machiavelli mit belegter Stimme fest.
    Die Überreste des Monsters fielen in sich zusammen. Ein kurzes Zischen war zu hören, danach lagen nur noch ein