0580 - Ginas Mörderschloß
das?«
»Nein.«
»Dann will ich es dir noch einmal sagen. Ich handele im Auftrag der Hexe. Gina und ich sind Partner, wenn du verstehst, mein Kleiner. Sie will dich, sie hat dich aus besonderen Gründen ausgesucht.«
Dennis war ein helles Köpfchen. Auch in dieser Extremlage hatte er die Übersicht nicht verloren. »Weil ich von ihr geträumt habe?«
»Unter anderem.«
Er schluckte Speichel. Selbst das fühlte sich kratzig im Hals an.
»Weshalb denn noch?«
»Das soll und wird dir Gina selbst sagen, wenn du bei ihr bist. Hast du gehört?«
»Ja, schon, aber…«
»Ich weiß, wo sie sich befindet. Wir werden zu ihrem Mörderschloß gehen. Dort kann sie dir alles genau erklären. Glaub mir, mein Junge, du wirst überrascht sein.«
Dennis nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Er wollte beides nicht, weil er es nicht fassen konnte. Aber er sah auch ein, daß dieser Mensch vor ihm nicht bluffte. Der meinte es ernst.
Die Schule, war für Dennis zu einem Gefängnis geworden. Es gab eigentlich nur den Weg, den er auch gekommen war.
Er senkte den Kopf und hob gleichgültig die Schultern. Eine Geste der Resignation, die Orth wiederum zusagte. »Es ist gut, wenn du dich mit deinem Schicksal abfindest. Gina ist etwas Besonderes. Sie weiß viel. Bestimmt wird sie dir auch erzählen können, wer deine Eltern gewesen sind, mein Kleiner.«
Dennis schreckte hoch. »Was sagen Sie da? Weiß diese Person über meine Eltern Bescheid?«
»Klar. Nenn du mir eine Hexe, die nicht in die Zukunft oder auch in die Vergangenheit schauen kann. Du wirst noch eine Überraschung erleben, wenn du bei ihr bist.«
Dennis schaffte es, seine Panik zu unterdrücken und die Gedanken zu ordnen. »Sie… sie wohnt im Mörderschloß, haben Sie gesagt?«
»Gut aufgepaßt Junge.«
»Weshalb heißt es Mörderschloß?«
»Das Blut vieler hat die Mauern des Schlosses getränkt. Ganz einfach, Kleiner.«
»Ach so!« flüsterte er. Er schaute an Orth vorbei und wollte nicht mehr über die Folgen nachdenken, die ihm in den Sinn gekommen war. Er hatte die Existenz des Mörderschlosses automatisch mit der seinen in Verbindung gebracht.
»Noch etwas?«
»Nein, nein, ich weiß Bescheid – und…« Plötzlich handelte der Junge. Er gehörte zu den Schülern, die für ihr Alter ziemlich kräftig waren. Es lag auch daran, daß er viel Sport trieb.
Bevor der Hausmeister sich versah, hatte es ihn erwischt. Ein harter Treffer in den Magen nahm ihm die Luft. Dennis’ Schädel hatte ihn unvorbereitet getroffen.
Orth stieß ein Geräusch aus, als würde eine alte Dampflok anfahren. Den Druck hatte er nicht mehr ausgleichen können, taumelte zurück und prallte mit dem Rücken gegen eines der Regale. Die Bücher dort wackelten nicht, sie standen fest wie eine Wand.
Das sah Dennis nicht mehr. Er hatte sich bereits auf der Stelle herumgeworfen und rannte weg. Dabei wußte er, daß Orth bewaffnet war. Er hatte Angst vor den Kugeln, die seinen Rücken treffen konnten, wobei er auch daran dachte, daß die Hexe ihn haben und Orth ihn deswegen vielleicht schonen wollte.
Er schoß nicht. Dennis hörte ihn fluchen und gleich darauf seine mächtigen Schritte.
Der Boden erzitterte unter dem harten Trampeln. Die Vibrationen erreichten auch Dennis, der den Kopf eingezogen hatte und auf die Tür der Bücherei zulief.
Leider konnte er sich nicht in der direkten Linie bewegen. Immer wieder mußte er den Bänken und Stühlen ausweichen, die zu kleinen Sitz- und Leseecken aufgebaut worden waren.
Orth nahm da wenig Rücksicht. Er feuerte die Hindernisse zu Boden, die seinen Weg versperrten.
Dennis hörte das Krachen und das Aufschlagen der Gegenstände.
Er selbst spürte die Angst, die wie ein dicker Alp in seinem Nacken hockte. Die Tür befand sich in greifbarer Nähe, dennoch überkam ihn der Eindruck, als würde sie nicht näher kommen.
Er rannte, fegte mit seinen rudernden Armen eine Lampe zu Boden und sprang mit einem Satz gegen die Tür. Die Klinke erwischte er glücklicherweise sofort, hämmerte sie nach unten, riß die Tür auf und warf sich in den breiten Gang, wo er bis vor die gegenüberliegende Steinmauer prallte.
Der Schlag tat weh, doch er hielt ihn nicht auf. Dennis rannte weiter. Sein Ziel war die Hintertür.
Das breite Treppenhaus, der gewaltige Flur, all dies kam ihm vor wie ein Gefängnis, durch das er mit hastigen Schritten irrte. Alle Türen waren aufgeschlossen, bis eben auf die eine, durch die er den Bau betreten hatte.
Aber die
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