0580 - Ginas Mörderschloß
Sache, über die er nicht nachdenken wollte. Aber damals hatte man wohl doppelt getötet, um sicherzugehen.
Orths Worten nach zu urteilen, sollte sie noch leben. Das konnte Dennis einfach nicht glauben.
Das stramme Stehen hatte ihn angestrengt. Er duckte sich wieder, und kletterte mit zitternden Knien vom Tisch. Der Schweiß klebte auf seiner Stirn. Die Hitze wurde unerträglich zwischen den Wänden, sie steigerte seine Lethargie und Müdigkeit noch.
Hinter den Augäpfeln spürte er einen harten Druck. Er stand dicht davor, in Tränen auszubrechen. Seine Knie zitterten, die Lippen zuckten, immer wieder strich er sich den Schweiß von der Stirn.
Manchmal glaubte er, ihm würde sich der Magen umdrehen.
Auch die Umgebung veränderte sich. Wenn Dennis gegen die Wand vor ihm schaute, so stand sie nicht mehr still. Er hatte den Eindruck, als würde sie sich bewegen und in Schwingungen hineingeraten, die einmal nach links, dann wieder nach rechts pendelten, bevor das Mauerwerk abermals zum Stillstand kam.
Alles war so furchtbar, so schrecklich. Er konnte es einfach nicht überreißen.
Dennis zwinkerte mit den Augen. Wenn er Luft holte, überkam ihn der Eindruck, den Sauerstoff zu trinken und…
»Dennis…«
Da war die Stimme. Zunächst achtete der Junge nicht darauf, weil er glaubte, sie sich einzubilden, aber die Stimme ließ nicht locker.
Sie wiederholte seinen Namen.
Der Schüler schaute hoch.
Niemand befand sich im Raum. Trotzdem hatte ihn jemand angesprochen. Dieser Jemand war eine Frau gewesen.
Eine Frau? Über seinen Rücken rann ein kaltes Rieseln. Automatisch dachte er an die Hexe, denn auch die Stimme war ihm nicht bekannt vorgekommen.
Sie hatte weder seiner Mutter noch einer anderen Frau aus dem Bekanntenkreis gehört. Die Stimme war ihm fremd gewesen, doch diese nicht sichtbare Person kannte ihn. Und von außerhalb des Raumes war er ebenfalls nicht angesprochen worden.
Jemand mußte sich in seinem Gefängnis befinden.
»Hallo, Dennis…«
Wieder hörte er seinen Namen. Diesmal war er darauf vorbereitet und blickte schräg in die Höhe, weil er den Eindruck nicht loswurde, daß die Stimme von dort oben aufgeklungen war.
Er traute sich kaum, den Kopf anzuheben und tat es wie unter einem inneren Zwang stehend.
Plötzlich sah er Ungeheuerliches.
Genau in der Ecke, im Winkel zwischen Wand und Decke schälte sich etwas hervor.
Ein verbrannter, schwarzer Gegenstand, der aschig und gleichzeitig rußig aussah, aber trotzdem zu erkennen war.
Ein verbrannter Kopf!
***
Die Hexe! Das muß die Hexe sein!
Für Dennis gab es keine Alternative. Der Hausmeister hatte davon berichtet, daß sie nach dem Verbrennen geköpft worden war und trotzdem weiterlebte.
Die Hexe, mein Gott!
Dennis wußte nicht, was er tun sollte. Er hockte da und zitterte wie Espenlaub. Seine Gedanken drehten sich im Kreis und konzentrierten sich trotzdem nur auf diesen einen fürchterlichen Gegenstand, diesen verbrannten Schädel, in dem trotzdem noch die Augen zu sehen waren.
Das Gesicht sah aus wie eine Maske, die dicht vor der Zerstörung stand. Als wären Kohlestücke übereinandergeschuppt worden, eine Fratze, aus der die Boshaftigkeit der Welt den Jungen anstarrte.
Lippen sah er nicht. Auch eine Nase war nicht vorhanden, nur mehr ein aschiger Wirrwarr, dann aber richtete er seine Blicke auf die Haare, die trotz allem den Kopf umwucherten. Ein grauer Filz, dicht wie zusammengeballte Spinnweben. Zum verbrannten Gesicht bildeten sie einen hellen Kontrast.
Dennis Höller wußte nicht, was er tun sollte. Er starrte gegen das Gesicht, hatte seine Handflächen flach auf den Tisch gelegt, als wollte er sich aufstützen, doch die Kraft besaß er nicht. Seine Blicke wurden nur von den Augen der Gestalt wie hypnotisch angezogen.
Diese Augen, in denen die Glut der Hölle leuchtete, die in ihrem Innern trotzdem weiß aussahen.
Es war grauenhaft…
Er schüttelte sich. Er wußte nicht, ob das Gesicht echt oder nur eine Einbildung war. Jedenfalls empfand er es als grausam und schlimm, und er wußte genau, daß diese Fratze zu ihm gesprochen und ihn sogar mit Namen angeredet hatte.
Das Gesicht kannte ihn…
»Nun Dennis?« flüsterte die Stimme. »Kennst du mich nicht? Kennst du mich wirklich nicht?«
Nein, wollte er sagen, doch er bekam kein Wort hervor. Dennis war einfach fertig, er zitterte und war innerlich gleichzeitig verkrampft. Über seinen Rücken rann ein dicker Schauer, den er bis zu seinen Füßen hin spürte.
Er
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