0581 - Der Blutstein
um so gut wie möglich. »Das weiß ich. Vielleicht sollten wir unser Ziel ändern.«
»Wieso?«
»Das Schloß ist uninteressant geworden. Es geht jetzt um den Stein, nicht um die Hexe. Wenn er so wichtig für Gina ist und dieser Engländer möglicherweise an ihn herankommt, würde es dir die Hexe nicht verzeihen, daß du ihn nicht beschützt hast.«
Orth lachte heiser. »Was soll denn das wieder heißen?«
»Wir wollen Ihnen helfen«, schlug Horace F. Sinclair vor. »Wir werden zusammen dorthin fahren, wo sich der Blutstein befindet und ihn bewachen. Ist das ein Vorschlag?«
»Nein, nein!« kreischte Orth. »Das ist keiner.«
»Weshalb nicht?«
»Gina würde es mir nie verzeihen. Es käme einem Vertrauensbruch gleich, verdammt!«
»Im Gegenteil«, sagte Suko. »Sie würde dich loben, sie würde dich ehren. Du könntest ihr sagen, daß du das Wertvollste verteidigt hast, das sie besitzt. Der Engländer hat dich angeschossen. Okay, das ist nicht mehr zu ändern. Du aber mußt das Optimale aus deiner Lage herausholen. Begreif das endlich.«
»Ihr wollt mich reinlegen, verdammt!«
Suko lachte. »Was hätten wir davon? Hör mal zu, ich habe dich aus dem Dreck herausgezogen. Ohne meine Hilfe hätten dich die Bullen erwischt und eingemacht. Hast du das vergessen?«
»Habe ich nicht.«
»Und weshalb vertraust du uns jetzt nicht?«
Am Haltegriff zog sich der Hausmeister hoch. »Gefühl«, flüsterte er, »versteht ihr? Das ist einfach das Gefühl, sonst nichts. Zu Gina hätte ich euch gebracht, nicht zum Stein.«
»Bei Gina ist bestimmt der Engländer.«
»Und? Wir sind zu dritt.«
Die Beretta hatte Orth bei Suko noch nicht entdeckt, deshalb konnte dieser seine Antwort mit ruhigem Gewissen geben. »Hör zu, wir haben zwar einen heißen Auftrag laufen, aber wir sind nicht lebensmüde. Horace und ich laufen ohne Kanonen herum. Der Engländer hat eine, der kann uns abknipsen, wenn wir ins Schloß kommen.«
»Das wird er auch bestimmt tun«, bestätigte der pensionierte Rechtsanwalt. Er war voll und ganz auf die Linie des Inspektors abgefahren.
Orth holte laut Luft, löste die Hand vom Griff und ließ sich wieder zurücksinken. Wieder zuckte eine Schmerzwelle durch sein Bein. Er fluchte leise.
»Hast du dich entschieden?« fragte Suko. »Lange warten wir nicht mehr, Orth.«
»Mist auch.«
»Nenn uns den Platz.«
»Den kenne ich nicht.«
»Lüg nicht.«
»Nicht genau.«
»Die Umgebung reicht. Und er ist vergraben, hast du gesagt?«
»Das auch.«
»Wir fahren hin.«
Orth befand sich in einer Zwickmühle. Fast bereute er es, gerettet worden zu sein.
Suko und Sinclair ließen ihm noch Zeit. Der Ältere klopfte rhythmisch auf das Armaturenbrett. Als er das trommelnde Geräusch beendete, fragte er: »Nun, was ist?«
»Wir fahren!« Orth stöhnte.
Suko lächelte. »Na bitte, weshalb nicht gleich so?«
»Ich kann für nichts garantieren. Scheiße auch!« Orth hatte wieder sein Lieblingswort benutzt. »Ihr habt mich hier in einen Mist reingehängt, aus dem ich nicht mehr rauskomme. Das ist alles so verflucht blöde. Wenn ich mein Bein nicht…«
»Sei froh, daß wir dir zur Seite stehen.«
»Du hast gut reden, Chinese. Ihr zieht hier euren Deal ab oder was immer auch, aber ich bleibe mit den Problemen zurück.«
»Nicht, wenn du der Hexe beweist, daß alles okay ist. Sie wird dir schon dankbar sein.«
Orth setzte sich wieder bequemer hin. Sein Gesicht wirkte in der Dunkelheit des Wagens wie ein ölverschmierter Flecken, über den er nun mit einer Hand hinwegputzte.
»Wohin müssen wir fahren?« Horace F. Sinclair hatte sich gedreht.
»Genau weiß ich das auch nicht. Das Gelände ist unwegsam. Ein Wasserfall, ziemlich klein, fällt über die Felsen. Da steigen wir dann aus.«
»Und gehen den Rest der Strecke zu Fuß?«
»Auch das, verdammt!«
Suko startete den Motor. Mittlerweile war es völlig finster geworden. Der Himmel zeigte keine Wolken, dafür ein Heer aus glitzernden Punkten. Die Sterne verteilten sich auf der unendlich erscheinenden Fläche. Die Berge sahen aus wie schwarze erstarrte Wellen.
»Liegt das Schloß denn in der Nähe?« erkundigte sich der Inspektor beim Anfahren.
»Es ist alles nicht so weit voneinander entfernt, wenn man gut auf den Beinen ist.«
»Was macht Ihr Bein?« erkundigte sich Horace F. Sinclair.
»Es brennt. Ich habe das Gefühl, als hätte man mir heißes Blei hineingekippt. Die verdammte Kugel muß raus!« keuchte er. »Irgendwann in der nächsten
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