0584 - Vampir-Katzen
Messer…«
Harold Child war bereits in die Pantoffeln geschlüpft. Das mußte er sich einfach anschauen.
Auch Lorna hatte nichts mehr im Bett gehalten. Als sie nach dem Morgenmantel griff, schüttelte Harold den Kopf. »Nein. Mädchen, du nicht. Du bleibst hier.«
»Warum? Ich…«
»Bitte!«
Sie kannte den Tonfall ihres Mannes. Wenn er so sprach, duldete er keinen Widerspruch.
Lorna blieb im Zimmer zurück. Sie hatte den Arm um Cathy gelegt und sprach beruhigend auf sie ein.
Harold fröstelte, als er im Gang stand. Er glaubte nicht daran, daß seine Tochter nur schlecht geträumt hatte. Zu viele Ungereimtheiten waren in den letzten Stunden geschehen. Da mußte eine Methode dahinterstecken. Nur war er sich nicht klar darüber, welche und wo das Motiv all dieser Vorfälle lag.
Das Zimmer der Tochter hatte er schnell erreicht. Zunächst blieb er vor der Tür stehen, um zu lauschen. Er war zwar ein Mann wie ein Bär, komisch war ihm trotzdem.
Über seinen Rücken kroch ein Schauer. Er hatte die Lippen so fest zusammengepreßt, daß sie schon schmerzten. Wenn er atmete, dann nur durch die Nase.
Aus dem Zimmer vernahm er kein Geräusch. Es war ungewöhnlich still, was ihm auch nicht gefiel. Der Vergleich mit der Ruhe vor dem Sturm kam ihm in den Sinn. Seine Augen hatten sich leicht verengt. Er kam sich vor wie auf dem Sprung.
Noch tat er nichts, dann, als er sich überwunden hatte, stieß er heftig die Tür auf und sprang noch im gleichen Moment über die Schwelle.
Die Katzen hatten den Raum noch nicht verlassen. Vom Fenster her wehte ihm ein kühler Luftzug entgegen. Er spürte ihn wie bleiche Finger auf seiner erhitzten Haut.
Mickey saß auf der Fensterbank. Die fremde Katze auf dem Bett, wo sie das Kopfkissen zerfetzt hatte und letzte Federn durch die Luft trieben. Das Tier kümmerte sich nicht darum. Es schlug nicht einmal mit den Pfoten danach.
Harold wußte nicht, zu welcher Katze er schauen sollte. Er konzentrierte sich mal auf die fremde, dann wieder auf Mickey. Beide waren für ihn zu Fremdkörpern geworden. Selbst Mickey, der in der Familie aufgenommen war.
Seine Augen, seine veränderten Zähne. Cathy hatte nicht gelogen.
Aus dem Oberkiefer wuchsen die beiden leicht gekrümmten Hauer hervor. Spitz wie Messer an ihren Enden.
Vergleichbar mit einem Vampir…
Plötzlich entstand in Harolds Gehirn ein neuer Begriff. Vampir-Katzen! Ja, die beiden waren Vampir-Katzen. Nur, wie wurde man zu einer Vampir-Katze? Die Lösung lag auf der Hand, wenn er den Berichten seiner Tochter Glauben schenken sollte.
Sie hatte gesehen, wie der Unheimliche Fremde Mickey biß. Für die Erwachsenen ein Märchen, die Spinnerei eines leicht überdrehten Mädchens, das war alles.
Aber Cathy hatte recht behalten. Es gab die Vampir-Katzen, also gab es auch diesen Fremden.
Mit diesen Schlußfolgerungen konnte der Mann nichts anfangen.
Er wußte auch nicht, welches Motiv die Katzen und den Mann geleitet hatten, er mußte sich plötzlich vorsehen, denn die fremde Katze sprang ihn vom Bett aus an.
Es war ein wilder, beinahe schon haßerfüllter Sprung. So ähnlich klang auch das Fauchen. Der Sprungbogen war so angesetzt, daß er an Harolds Kehle geendet hätte.
Das wußte der Mann. Er wich nicht aus, er schlug mit seinen mächtigen Fäusten zu und erwischte das veränderte und bösartige Tier mitten im Sprung. Es tat ihm nicht einmal leid, zu sehen, wie die Katze aus der Sprungrichtung geschleudert wurde und klatschend an der Wand landete, wo sie ausgerechnet ein dort aufgehängtes Katzenbild vom Haken riß, das mit ihr zusammen zu Boden fiel.
Harold hielt nichts mehr im Zimmer seiner Tochter. Er drehte sich, riß die Tür auf und sprang in den Flur, wo ihn Frau und Tochter anstarrten. Er gab zunächst keine Erklärung ab, sondern preßte sich mit dem Rücken gegen die verschlossene Tür.
»Stimmt… stimmt es denn?« flüsterte Lorna.
»Ja!« keuchte er. »Ja, sie hat recht. Es sind zwei verdammte Katzen im Raum. Sie… sie haben sich beide verändert. Sie sind zu kleinen Monstren geworden, zu Vampir-Katzen.«
Lorna wußte nicht, was sie erwidern sollte, hob den Arm und preßte ihre Hand gegen den Mund.
»Dann habe ich nicht gelogen«, sagte Cathy mit bebender Stimme.
»Jetzt glaubst du mir doch auch, Daddy, nicht?«
»Ja, ich glaube dir.«
Lorna hatte ihre Fassung wiedergefunden. »Aber wieso?« fragte sie. »Wieso konnte das geschehen?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, was da genau vorgefallen ist.
Weitere Kostenlose Bücher