0585 - Unterwelt
vorgegangen. Seine Gestalt hob sich von der Straße ab. Im Fernlicht wirkte er wie ein dunkler Umriß, der plötzlich stehenblieb und mit der rechten Hand heftig winkte.
»Los, kommt mal her!«
Wir beeilten uns. Suko leuchtete schräg nach vor. Das Licht der schmalen Leuchte fiel als breiter Punkt auf einen Gully, dessen Deckel nicht die gesamte Öffnung bedeckte, sondern so versetzt lag, daß nur zwei Drittel bedeckt waren.
»Da ist es!« sagte der Inspektor. »Ich glaube, daß dies die Lösung ist. Gibt es ein idealeres Versteck für einen Vampir-Kater?«
Harold Child schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht«, flüsterte er. »Verdammt noch mal, das will einfach in meinen Schädel nicht rein. Wieso steht der Deckel schräg?«
»Weil jemand in den Gully gestiegen ist.«
»Mr. Sinclair, ein Kater kann doch nicht…«
»Nicht der Kater, Harold. Denken Sie an den Wagen, an die Spuren. Da sind bestimmt noch einige Leute hineingestiegen, um irgendeine Schau abzureißen.«
»Und der Kater hinterher?«
»Ich befürchte es fast«, flüsterte ich.
Child war blaß geworden. »Wenn das zutreffen sollte, hätte er genügend Blut.«
»Richtig.«
Suko hatte sich gebückt und nickte mir zu, als er den schweren Deckel anfaßte. »Hilf mir mal, Alter, wir müssen das Ding ganz zur Seite kriegen.«
Zu dritt schafften wir es.
Dann starrten wir in die senkrechte Röhre und sahen auch die Steigsprossen, die nicht verrostet waren, sondern vom vielen Benutzen glänzten. »Alles klar?« fragte mein Freund und strahlte mit der Lampe in die Tiefe, ohne ein konkretes Ziel zu finden. Zwar erreichte der Lichtkegel den Boden, dort jedoch warf er nur einen matten Glanz auf die Feuchtigkeit des Untergrundes.
Ich wollte etwas sagen, als Suko einen Finger auf die Lippen legte und sich dabei so weit vorbeugte, daß er fast schon in die Tiefe gekippt wäre.
Sekunden später richtete er sich auf. »John, da unten geht es rund. Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich Schreie gehört.«
»Wirkliche Schreie?« fragte Child.
»Ja, echte.« Suko räusperte sich. »Auch Stimmen. Da scheint etwas im Gange zu sein.«
»Vielleicht eine Fete«, sagte Harold. »In Paris fing es mit diesen Feten an. Das Problem haben wir auch in London. Allerdings in der City. Ich wußte nur nicht, daß sich die Typen schon in die Randbezirke verzogen haben. Das würden den Wagen erklären.«
Die Feten kannten wir. Vor Jahren hatten wir in Paris so etwas erlebt und Bekanntschaft mit Riesenratten gemacht.
Mein Freund war skeptisch. Ich sah, wie er einige Male den Kopf wiegte. »Ehrlich gesagt, nach einer Fete hat sich das nicht angehört. Diese Schreie klangen anders.«
»Wie denn?«
Suko schaute Harold an. »Als hätte jemand furchtbare Angst gehabt.«
»Vor einem Vampir?« fragte ich.
»Genau.«
Ich nickte. »Es nutzt alles nichts, wir müssen runter, um…« Ich sprach nicht mehr weiter, denn die Schreie hatten an Lautstärke zugenommen. Das heißt, es mußte eine Person sein, die so gellend brüllte. Einen Moment später schallte das Geräusch direkt den Schacht hoch und bekam durch die kahlen Wände noch schaurige Echos.
Zugleich leuchteten wir hinein.
Was wir zu sehen bekamen, war völlig irre und unglaublich…
***
Bei allen kreisten die Flaschen. Hochprozentiges Zeug, billiger Brandy und Gin.
Das Feuer brannte, spendete Licht und Schatten. Ein ewiges Wechselspiel aus Dunkelheit und rötlichem Licht umgab die Freaks, die soffen wie die Ketzer.
Hin und wieder schnappte sich jemand eine Gitarre, um für ein Geburtstagsständchen zu üben.
Ugly Monster konnte sich dann vor Lachen kaum halten, wenn er die laienhaften Bemühungen sah. Er hockte auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken an der feuchten Wand.
»Macht keinen Mist, ihr Flaschen! Sauft lieber. Ich will mein neues Jahr nicht nüchtern erleben.« Wieder setzte er die Ginflasche an und ließ die klare Flüssigkeit in die Kehle rinnen.
Monnie tanzte.
Schon seit Wochen übte sie sich im Bauchtanz, ohne großen Erfolg.
Die Verrenkungen wirkten eher komisch als elegant. Zudem war sie nicht mehr nüchtern.
Plötzlich sprang der angemalte Cat in den Kreis. Breitbeinig stand er vor den Flammen. Um seinen Hals hatte er Ringe gehängt. In der rechten Hand hielt er dünne Masken.
»Heute sind wir Teufel!« schrie er gegen den Stimmenlärm an.
»Hier, ich habe die Masken besorgt. Jeder soll sich eine Teufelsmaske aufsetzen. Los, macht schon!« Er warf seinen Kumpanen die feuerroten
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