0585 - Unterwelt
anderes Ziel vor ihm auf. Lorna war es gelungen, sich hinzuknien, und sie blieb auch in dieser Haltung.
Mit der freien Hand schlug sie gegen den Kopf des Katers. Mickey stieß ein böses Fauchen aus. Im Hintergrund hörte Lorna ihre Tochter weinen und nach dem Kater rufen. Sie aber wollte mit dem Tier um das Leben der Tochter kämpfen.
Wieder sprang ihr Mickey entgegen.
Diesmal hatte sie aufgepaßt, rollte sich herum und schlug die linke Hand in das nasse Katzenfell. Dabei drückte sie das Tier dem Boden entgegen. Die rauhen Krallen wühlten das Gras auf, kratzten Löcher, aber sie hielt eisern fest.
Auch mit der rechten Hand.
In ihr hielt sie das Kreuz.
Noch nie zuvor hatte sie einen derartigen Schrei gehört, wie jetzt, als sie das Kreuz in das nasse Fell hineinschob. Der Kater kreischte, jaulte und brüllte in einem.
Lorna lag noch immer. Etwas Verbranntes stieg in ihre Nase, ein scharfer, beißender Geruch.
Als sie den Kopf drehte, sah sie den Rauch aus dem Fell des Katers steigen.
Sie ließ das Tier los.
Mickey war am Ende. Er wollte trotzdem nicht aufgeben, denn er wühlte sich schwerfällig dem zwölfjährigen Mädchen entgegen, als wäre es in der Lage, seinen Tod noch aufzuhalten.
Weit war der Rachen geöffnet. Noch schimmerten die Zähne. Das Mädchen konnte auch in den Schlund hineinschauen. Cathy weinte, sie sprach gleichzeitig, sie schluckte, und sie bekam plötzlich mit, wie sich in dem Schlund etwas veränderte.
Da entstand ein roter Punkt, der sich blitzschnell ausbreitete – und zu einem Feuerball wurde.
Mickey zerplatzte wie eine Bombe.
Dann war es vorbei.
Es gab Mickey nicht mehr. Dafür aber Mutter und Tochter, die beide zu erschöpft waren, um sich in die Arme zu fallen.
Das dies wenig später trotzdem geschehen würde, hatten sie Suko und Harold zu verdanken.
Für eine rechtzeitige Rettung jedoch wären beide zu spät gekommen…
***
Wohl noch nie zuvor hatte das kleine Gartenhaus der Childs eine derartige Invasion erlebt. Die Freaks hatten mich gebracht. Wir stanken alle gleich, bis auf Lorna und die kleine Cathy. Mutter und Tochter hockten zusammen, wobei Cathy noch immer nicht so recht begreifen wollte, daß es ihren Mickey nicht mehr gab.
Suko nickte mir zu, als ich ihm erzählte, was mit der Blutsaugerin geschehen war.
»Zum Glück gibt es nur ein Opfer – den Kater«, sagte er.
»Nein, zwei. Du vergißt unsere Nachbarin, Mrs. Tenbroke.«
»Sorry, natürlich.«
Ugly Monster wollte von uns wissen, wie es jetzt weiterging. »Jedenfalls wird eure Freundin ein normales Begräbnis bekommen. Vielleicht ist auch für euch die Zeit gekommen, die Lage, in der ihr euch befindet, noch einmal zu überdenken.«
»Wieso?«
»Ist das ein Leben?«
Ugly Monster grinste. »Keine Moralpredigten, Bulle. Kannst du uns ein besseres bieten?«
»Nein, das nicht. Ihr könnt es trotzdem versuchen.«
Ugly Monster lachte auf, winkte ab und verließ das Gartenhaus.
Seine Kumpane schlossen sich ihm an.
Die Tote würden wir in die Stadt fahren.
»Das war’s dann wohl«, sagte ich, als draußen der Motor des Ford ansprang.
»Wollen Sie schon weg?« fragte Lorna Child.
»Ja, wir müssen. Hier ist ja wieder alles in Ordnung.«
»Nein, nein!« widersprach Cathy heftig. »Nichts ist in Ordnung, gar nichts. Mickey ist tot.«
Was sollten wir darauf sagen? Wir konnten uns in Cathy nicht hineindenken. Der Tod des Katers hatte eine tiefe Wunde hinterlassen.
Diese zu heilen, war Sache der Eltern.
Suko fragte: »Weißt du, worüber ich mich am meisten freue, John?«
»Wie sollte ich?«
»Daß wir mit den stinkenden Klamotten in deinem Dienstrover sitzen und nicht in meinem BMW…«
Ich war nicht auf den Mund gefallen. Doch diese Bemerkung verschlug selbst mir die Sprache…
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Nr. 584 »Vampir-Katzen«
Weitere Kostenlose Bücher