0586 - Gasthaus zur Hölle
als hätte man diesen mit einer Säure übergossen.
Sie hatte unwillkürlich die Hände vom Lenker gelöst, das Rad rollte von allein weiter und fiel erst auf der Straße um.
Da aber hing sie fest!
Was ihre Haare gepackt hielt, konnte sie nicht sehen. Es mußte eine Hand sein, möglicherweise eine lange Klaue, die zudem die Kraft besaß, sie in die Höhe zu zerren.
Das war schlimm.
Gertrud Moser schrie endlich auf. Ihre Pupillen hatten sich geweitet, doch die Schreie verschluckte der dichte Nebel. Die Frau aber wurde von der Hand in die Höhe gezogen, bis zu einem bestimmten Punkt, dann packte die zweite Klaue zu.
Sie umklammerte Gertruds Schulter.
Eine Chance bekam sie nicht mehr. Sekunden später lag sie auf der Mauer und nahm einen bestialischen Geruch wahr, als sich irgend etwas auf ihren Rücken preßte und sie gegen die Mauer drückte.
Der Druck eines Körpers, möglicherweise einer Leiche, die sie nach rechts zerrte.
Dort befand sich der Rand…
Gertrud Moser fiel…
Der Moment, als sie über die Mauer kippte, kam ihr schrecklich lang vor. Es war wie das Fallen in einen tiefen Schacht. Sie rechnete kaum noch mit einem Aufprall. Als er erfolgte, stieß sie mit der Stirn gegen etwas Hartes.
Der Aufprall raubte ihr das Bewußtsein.
Es war gut für sie, so bekam Gertrud Moser nicht mit, was die unheimlichen Wesen mit ihr anstellten, um sie vom Leben in den Tod zu befördern…
***
Zuerst sah ich die Augen. Groß, mit dunklen Pupillen, die an reife Kirschen erinnerten. Danach fielen mir die Wangen auf, die einen leichten Rougeton zeigten. Am auffälligsten war der Mund, dessen Lippen ein maliziöses Lächeln zeigten. Ein Lächeln, das ich kannte; ein Lächeln, das zumeist nichts Gutes verhieß.
Deshalb tat ich auch völlig harmlos, als ich die Bürotür schloß und einen freundlichen Morgengruß in Richtung Glenda Perkins schickte. Suko war noch auf dem Flur geblieben und unterhielt sich mit einem Kollegen über ein neues Fitneß-Gerät, das dieser sich angeschafft hatte.
»Guten Morgen, Geisterjäger«, erwiderte Glenda.
»O je, da ist was im Busch.«
»Ha«, sagte sie. »Gestehe deine Schandtaten, Verruchter!«
Ich hob beide Hände und gab mich ebenfalls wie ein Schauspieler in einem Shakespeare-Stück. »Ich gestehe alles, schöne Lady. Nur…«, dann grinste ich, »möchte ich gern wissen, was ich gestehen soll? Ich komme da nicht mit.«
»Wer ist die Dame?«
»Welche?«
»Gertrud Moser aus Salzburg.«
»Nie gehört, kenne ich nicht, will ich auch nicht kennen. Alles klar, Glenda?«
»Fast.«
»Okay, dann kann ich ja deinen hervorragenden Kaffee trinken.«
»Kannst du, und dabei solltest du lesen, John. Diesen Brief hier.«
Sie hatte ihn bisher hinter ihrem Rücken versteckt gehalten. Jetzt hob sie ihn hoch.
»Post für mich? Dienstlich sieht mir das nicht gerade aus.«
»Das meine ich auch. Es sei denn, du kennst diese Gertrud Moser und willst es nur nicht zugeben.«
»Verflixt noch mal, ich kenne sie wirklich nicht.«
»Sie hat dir geschrieben.«
»Was denn?«
Glendas Gesicht bekam einen entrüsteten Ausdruck. »Glaubst du denn ich schnüffle in deiner privaten Post nach?«
»So schlimm wird es auch nicht sein.« Ich nahm ihr den Brief ab.
Er war tatsächlich an mich adressiert, und als Absender war eine gewisse Gertrud Moser aus Salzburg angegeben.
In Salzburg war ich noch nie gewesen, deshalb konnte ich die Dame auch nicht kennen. Ich hatte sie auch nie während eines anderen Falls getroffen, was also wollte sie von mir?
Den Kaffee nahm ich mit in mein Büro, ließ die Tür offen, weil ich wußte, daß Glenda sowieso erscheinen würde. Briefe anderer Damen interessierten sie.
Sie hatte mich geärgert, nun spannte ich sie auf die Folter, indem ich erst einmal einige Schlucke Kaffee zu mir nahm und mich anschließend mit dem Brief in der Hand zurücklehnte, wobei ich fragte: »Was kann die gute Gertie wohl von mir gewollt haben?«
»Ach, Gertie nennst du sie? Dann kennst du sie doch?«
Ich grinste breiter als breit. »Klar, mit der hatte ich heiße Nächte. Du weißt ja, die Mädels in Österreich sind eine Wucht. Ich sage dir, Glenda, die können…«
»Entschuldige mich, ich habe zu tun.« Sie machte wütend kehrt und verschwand. Wahrscheinlich war sie an diesem Morgen mit dem linken Bein zuerst aufgestanden. So etwas kommt vor, auch ich hatte nicht jeden Morgen die gleiche Laune.
Mit einem Brief hatten schon zahlreiche Fälle angefangen. Auch hier glaubte ich,
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