0588 - Das Ding aus dem Koffer
würde sie jeden Moment abbrechen. Dabei bewegte sie sich noch, allerdings nur die Finger, die in verschiedene Richtungen wiesen und auch in unterschiedlicher Höhe abstanden, als wollten sie Helen mit diesem Zeichen verhöhnen.
Sie merkte, dass die Starre von ihr abfiel. Jetzt wollte sich ihre Angst freie Bahn verschaffen. Sie spürte den Schrei, der bald aus ihrer Kehle dringen würde. Sie musste einfach schreien, auch wenn es nicht passte. Gerade jetzt nicht, wo sie bei der Auktion benötigt wurde und Denkford bestimmt schon durchdrehte.
Schreien, nur schreien, nur…
Sie ging noch weiter zurück, holte tief Luft, blähte sich förmlich auf und…
Der Druck war auf einmal da. Hart, gemein und brutal stach etwas in ihren Rücken. Dann hörte sie die Stimme. »Wenn du dich einmal falsch bewegst, Lady, erschieße ich dich…«
Helen Taylor hatte die Stimme nie zuvor gehört. Ein Mann hatte hinter ihr geflüstert und seine Worte so drohend ausgesprochen, dass ihr nichts anderes blieb, als zu gehorchen. Sie musste still sein, sie durfte sich nicht rühren. Dass sie es schaffte und dabei zischend ausatmete, kam ihr selbst wie ein kleines Wunder vor.
»Geh wieder vor!«
Der Unbekannte hinter ihr sprach nur flüsternd. Für Helen hörte es sich an wie das Zischen einer kampfbereiten Klapperschlange.
Ihre Knie zitterten, die Beine wollten das Gewicht kaum halten, als sie über den Boden schlurfte und abermals der Theke entgegen schritt, auf der dieser ungewöhnliche Holzkoffer mit seinem makabren Inhalt lag.
Plötzlich war der Druck aus ihrem Rücken verschwunden.
Gleichzeitig erklang wieder die warnende Stimme des Unbekannten. »Ich habe dich ständig vor der Mündung, Süße. Versuch keine Tricks, sonst pumpe ich dich mit Blei voll.«
Helen nickte. Sie bewegte dabei ihren Kopf so hektisch und hölzern, als wäre sie eine Puppe. Schweiß glitt in Tropfen über ihre Stirn, die Angst würgte wieder, sie hörte die fast lautlosen Schritte des Mannes und konnte ihn endlich sehen, wie er hinter den langen Tresen ging und sich hinter dem Koffer aufbaute.
Zuerst fiel ihr das bleigraue Haar auf. Ein dunkelgraues Haar, in der Farbe so wirkend, als wäre es gefärbt. Das Gesicht des Mannes zeigte eine gewisse Macho-Härte. Kalt und gleichzeitig verbissen.
Der Mund war verzogen, die Augenbrauen ebenfalls, sie schienen über der Nase zusammenwachsen zu wollen. Hochstehende Wangenknochen ließen die Haut gespannt aussehen. Der Fremde trug einen leichten Pullover und ein dunkles Jackett darüber. Das alles war normal. Als weniger normal empfand sie die Waffe in seinen Händen.
Selbst hatte sie ein solches Ding noch nicht in der Hand gehalten, aus Filmen allerdings wusste sie, wie eine Maschinenpistole aussah.
Und mit einer derartigen Waffe hatte sich der Bleigraue ausgerüstet. Er stand dicht hinter dem Koffer und zielte mit der Mündung und einem Teil des Laufs über den Deckel hinweg. In seinen Augen regte sich nichts. Sie sahen aus wie kalte, schwarze Tintenflecken.
»Und jetzt geh näher an den Koffer heran, Lady.«
»Wie… wieso?«
»Geh schon.«
»Und was dann?«
»Ich hasse es, wenn jemand zu viele Fragen stellt!« erklärte er kalt. »Geh vor.«
O Gott, nein, dachte sie. Wenn mich die Klaue berührt, das das überlebe ich nicht. Wie viel Druck konnte denn ein Mensch aushalten, ohne durchzudrehen? Der Bewaffnete hinter dem Koffer stand dort wie eine Eins. Er bewegte sich nicht, trotzdem schwankte er. Es lag wahrscheinlich an ihr, dass sie den Kerl so sah. Ihre Nerven waren überreizt, der Herzschlag hatte sich verdoppelt.
Obwohl Helen es nicht wollte, ging sie. Die Furcht vor dem Mann mit der Waffe war stärker. Hilfe konnte sie nicht erwarten, sie wollte es auch nicht. Wäre jemand gekommen, hätte der Kerl geschossen…
Den Blick hielt sie nach unten gerichtet. Nicht auf den Boden, der Koffer mit der Hand bannte sie. Noch immer schaute die Klaue in einer Haltung zwischen den beiden Teilen hervor, als wollte sie jeden Augenblick abbrechen.
Es konnte auch sein, dass ein Handschuh über die Finger gezogen worden war, dem man kurzerhand Fingernägel aufgemalt hatte. Dicht davor blieb sie stehen. Über den Koffer hinweg schwang ihr das zischende Atmen des Mannes entgegen.
»So, und jetzt geht es weiter, Lady. Fass die Hand an und drücke sie wieder zurück in den Koffer.«
»Nein!«
Er hob die Waffe um eine Idee und fragte: »Hattest du etwas gesagt, Lady?«
»Ich… ich kann nicht.« Sie sprach die
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