059 - Blutige Küsse
genau ins Schwarze getroffen haben.«
Die Entfernung bis hinüber zu den ersten Wohnwagen war nicht sonderlich groß.
Dorian beobachtete die junge Frau, die gerade hinter dem Wohnwagen hervorgekommen war. Sie mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, war schlank und hatte blondes Haar.
»Ganz netter Happen«, stellte Demur anzüglich fest. »An dem würde ich auch gern mal knabbern.«
Dorian ließ sie nicht aus den Augen. Die junge Frau fühlte sich völlig unbeobachtet. Sie trug einen knöchellangen Rock, der bis zu den Schenkeln hoch geschlitzt war. Ihre Brust wurde von einem Bikini-Oberteil gehalten. Sie warf sich auf eine Campingliege und band sich dann den Rock auf. Knapp war das Höschen. Sie stellte das linke Bein hoch, schloss die Augen, tastete nach einem kleinen Transistorradio und schaltete Tanzmusik ein.
»Die sieht nicht gerade wie ein Häschen aus«, meinte Demur und knuffte Dorian in die Rippen. »Wenn du Pech hast, alter Junge, lässt sie dich abblitzen.«
»Ich muss sie haben«, murmelte Dorian Hunter. »Sie muss mitkommen.«
Er dachte nur an den magischen Zaubertrank, nach dem sein ganzer Körper schrie. Gewiss, die Entzugserscheinungen waren in den vergangenen Stunden deutlich gemildert, doch sie lauerten tief in seinem Unterbewusstsein darauf, ihn wieder anzufallen. Sein augenblicklicher Zustand war fast schon ein Geschenk.
»Zur Not könnten wir sie ja kidnappen«, schlug Demur vor. Mit einem schnellen Blick prüfte er Dorians Reaktion. Demur wollte herausfinden, wie weit er gehen würde.
»Warum nicht?« Es klang wie selbstverständlich. »Vielleicht ist das sogar die sicherste Methode.«
»Mann, bist du ein Herzchen!« Demur grinste anerkennend. »Zum Teufel mit allen Hemmungen, wie?«
»Sie muss mitkommen«, gab Dorian wie in Trance zurück, »und wenn ich sie kidnappen muss.«
Er dachte auf zwei Ebenen. Der Dorian, der von der Sucht nicht betroffen war, sträubte sich dagegen, diese junge Frau mit Gewalt ins Schloss des Count of Alkahest zu bringen; solch eine Handlungsweise widersprach allen Prinzipien, die Dorian vertrat. Ein zweiter Dorian hingegen pfiff auf solche Moral. Dieser zweite – andere Dorian – dachte nur voller Gier an den Theriak-Trank und war bereit, dafür einen Mord zu begehen. Alles in ihm schrie nach dieser magischen Mixtur, ohne die er nicht mehr leben zu können glaubte.
Die Entscheidung war schnell getroffen. Er brauchte das süße, betörende Gift des Theriak, also würde er dem Count of Alkahest auch die Frau verschaffen, ganz gleich, was dieser mit ihr tun würde.
»Du bist also einverstanden, dass wir sie uns holen?« Demur zeigte auf die junge Frau. Sie unterhielt sich gerade mit einer älteren Frau, die wahrscheinlich ihre Mutter war.
»Du willst mir helfen?«
Demur grinste und nickte. »Klar doch, alter Junge.«
Dorian sah Demur dankbar an. Er war diesem Dämon völlig ausgeliefert.
Natürlich genoss der Schwarzblütige die Abhängigkeit dieses Mannes, der bisher nur stark und unangreifbar gewesen war. Der Dorian Hunter, den er jetzt vor sich hatte, war nur noch ein willenloses Wrack, das nach seiner Pfeife tanzen musste.
Demur Alkahest wusste nicht, wie Dorian an die Theriak-Mixtur herangekommen war. Diese Frage interessierte ihn auch kaum. Entscheidend war und blieb, dass Dorian im Drogenrausch zu ihm gekommen war. Nach der magischen Beschwörung war es zu ihrer Begegnung gekommen, und Demur hatte sofort gesehen, dass dieser Hunter außerhalb seines Willens stand. Der Wunsch Dorians nach Theriak hatte in Demur einige Vorstellungen aktiviert, die er jetzt und hier in die Tat umsetzen wollte. Für Demur Alkahest war Dorian der Schlüssel zur Macht. Diese Macht besaß vorerst noch Demurs Onkel. Der Count of Alkahest galt in der Dämonenfamilie gleichen Namens als ein Grübler und Tüftler, der sein eigenes Leben führte. Es war bekannt, dass er mit Theriak experimentierte und immer neue Kombinationen erprobte. Der Count, wie er hier oben im Norden Schottlands von der Bevölkerung, die von seinem wirklichen Wesen natürlich keine Ahnung hatte, genannt wurde, kannte auch die Fundstätten jener magischen Wurzeln und Salze, die für seine Mixturen notwendig waren.
Demurs Rechnung war einfach. Zutritt zum Schloss seines Onkels fand er leicht, wenn er dem Count ein Opfer ganz besonderer Art zuführte. Dorian Hunter war solch ein Opfer – ein außergewöhnlicher Mensch. Demur war davon ausgegangen, dass es seinem Onkel Lucius schmeicheln musste,
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