059 - Blutige Küsse
bleiben?«, fragte Valby.
»Das würde die Pläne eines gewissen Valby empfindlich stören, wie?« Demur grinste anzüglich.
»Ich – ich habe keine Pläne«, stammelte der Sekretär betroffen.
»Mensch, mach mir doch nichts vor!«, sagte Demur. »Ich weiß genau, was anliegt. Du willst an das Rezept für das Theriak herankommen. Streite das ruhig ab. Ich weiß es besser.«
»Was sollte ich mit diesem Rezept schon anfangen?« John Valby gab sich demütig, doch dieser Ausdruck gelang ihm nicht so recht.
»Das Rezept bedeutet Macht«, sagte Demur nachdrücklich. »Wer es besitzt, kann sich ganz schön was unter den Nagel reißen.«
»Sie denken also auch daran?«
Aus Valbys Demut wurde Auflehnung. Er sah Demur lauernd an und lächelte dünn.
»Spielen wir mit offenen Karten«, schlug Demur vor. »Keiner von uns beiden hätte doch was dagegen, an das Rezept heranzukommen, oder?«
»Ich bin der gehorsame Diener eines mächtigen Herrn«, sagte Valby.
»Du bist ein widerlicher Schleimer«, widersprach Demur, ohne sich dabei allerdings zu erregen. »Ich wette, du streichst bei jeder passenden Gelegenheit um die Alchemistenküche meines Onkels herum. Aber der gute alte Luchs scheint dich zu kennen. Er hütet sein Geheimnis.«
»Er wird es keinem anvertrauen«, trumpfte John Valby auf. »Es wird sein Geheimnis bleiben.«
»Du hast ihm doch bestimmt schon gesteckt, dass ich nicht zufällig hierher gekommen bin, oder?«
Valby antwortete nicht. Er sah zu Boden.
»Na, also«, meinte Demur. »Wusste ich's doch, alter Kriecher. Keiner von uns beiden wird es schaffen. Es sei denn …«
»Es sei denn?« Der Sekretär des Grafen hob erwartungsvoll den Kopf.
»Man könnte sich ja vielleicht die Bälle zuspielen. Gemeinsam müssten wir den Alten eigentlich schaffen.«
Nun triumphierte Valby. »Sie schaffen es nicht allein, Demur Alkahest?«
»Meine Familie könnte vielleicht sauer auf mich werden, falls ich den guten alten Luchs umbringe«, gab Demur leichthin zurück. »Und so ganz ohne Familie fühlt sich unsereins nicht besonders wohl.«
»Man würde Sie ausstoßen«, stellte John Valby klar. »Und alles Theriak dieser Welt würde Ihnen dann wenig nützen. Sie wissen das genau.«
Demur ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Falls der gute Lucius abschrammt, dann nicht durch meine Hand.«
»Sie brauchen ein Werkzeug.«
»So kann man's auch ausdrücken, Valby.«
»Haben Sie darum diesen Dorian Hunter mitgebracht?«
»Schlaues Kerlchen.« Demur drohte dem Sekretär spöttisch mit dem Zeigefinger.
»Hunter wird das niemals schaffen«, redete Valby eifrig weiter, sich unbewusst Demur anbietend. »Er ist ein Anfänger und weiß mit dem Theriak nichts anzufangen. Ich aber kenne es schon seit vielen Monaten. Ich kann mit diesem Elixier leben und verliere niemals die Übersicht.«
»So reden alle Leute, die süchtig sind. Aber das ist dein Problem, Valby. Mit diesem Hunter bin ich nicht gerade verheiratet. Den lasse ich jederzeit fallen wie 'ne heiße Kartoffel, falls ich 'ne bessere Möglichkeit finde.«
»Wenn man Ihnen nur trauen könnte.« Valby seufzte. »Welchen Vorteil hätte ich denn?«
»Theriak für den Rest deines Lebens«, schlug Demur vor. »Mengenmäßig unbegrenzt. Ist das ein Angebot?«
»Im Besitz des Rezeptes wäre ich auf keinen angewiesen.«
»Und hättest mindestens die Dämonen meiner Familie auf dem Hals«, warnte Demur lächelnd. »Keine schönen Aussichten, Valby. Und wer verschafft dir die Zutaten für das Gebräu? Es gibt da ein paar Sachen, an die du allein niemals rankommen würdest.«
»Schicken Sie diesen Hunter zurück nach London!«, schlug Valby vor. Er schien einen Entschluss gefasst zu haben. »Und wir besiegeln unseren Vertrag nach Art der Schwarzen Familie.«
»Immer schön langsam, alter Freund!« Demur hatte Valby genau dort, wo er ihn haben wollte. »Ich muss mir das alles noch genau durch den Kopf gehen lassen. Ich bin ja nicht so schlau wie du. Und was Dorian Hunter anbetrifft, so lassen wir den mal hübsch hier. Als 'ne Art Reserve, klar? Wer verschenkt schon freiwillig eine Trumpfkarte?«
Natürlich kam Dorian sich schäbig und gemein vor, als er Judy Leaders abholte. Sie wartete schon vor dem Wohnwagen ihrer Eltern auf ihn. Die junge Frau trug einen für Dorians Geschmack etwas zu engen Rock und eine zu weite Bluse, doch er musste zugeben, dass diese Kleidung die Vorzüge ihres Körpers deutlich unterstrich.
Dorian hatte bis zu diesem Augenblick immer wieder
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