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059 - Blutige Küsse

059 - Blutige Küsse

Titel: 059 - Blutige Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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verzog das Gesicht. Dann nickte er Dorian aufmunternd zu. »Die paar Meter wirst du auch noch schaffen. Ich würde dir ja gern helfen, alter Junge, aber mein Onkel besteht darauf, dass du ihm den Appetithappen selbst servierst. Er hat eben so seine Eigenheiten.«
    Judy Leaders war inzwischen wieder zu sich gekommen. Die Angst schien sie gelähmt zu haben. Sie rührte sich nicht. Mit vor Grauen weit geöffneten Augen sah sie dem rötlichen Licht entgegen, das durch bleiverglastes Fenster schimmerte.

    Die Szenerie entstammte einem Albtraum.
    In einem hohen, kahlen Saal, der nicht die Spur irgendeines Wandschmucks aufwies, stand auf einer Empore ein mächtiger Sessel mit überhoher Lehne. Löchrige, struppige Wolfsfelle polsterten ihn einigermaßen. Der Sessel war leer und offensichtlich für den Count of Alkahest bestimmt.
    Auf den nackten, abgewetzten und schmutzigen Steinfliesen stand ein langer Tisch aus dickem, unpoliertem Eichenholz, links und rechts davor waren einfache Sitzbänke aufgestellt. Karger und abstoßender konnte eigentlich kein Raum hergerichtet sein. Auf den Bänken saßen in bunter Reihe junge Frauen und Männer, deren Blick leer war. Sie hielten einfache Zinnbecher in den Händen und sahen aus wie brave, gehorsame Schüler, die auf den gestrengen Lehrer warteten.
    Keiner der bereits versammelten Gäste sagte auch nur ein einziges Wort. Sie bewegten sich nicht, als der Sekretär die beiden Neuankömmlinge in den Saal führte. John Valby wies Dorian und Judy Leaders zwei nebeneinander liegende Sitze zu, verbeugte sich und sah sich dann nach Demur um, der an der Sitzordnung nicht interessiert war. Lässig, als sei er hier zu Hause, schlenderte er an der linken Bank entlang, auf der Judy und Dorian Platz genommen hatten. Er erreichte das Podest und wollte sich wie selbstverständlich in den mit Wolfsfellen bedeckten Stuhl werfen. Im letzten Moment jedoch zögerte er, verzog das Gesicht zu einer Grimasse und ließ sich auf der Kante des Podestes nieder. Dann musterte er die Gäste seines Onkels.
    Der Sekretär des Grafen erschien zwischen Judy und Dorian. Er drückte ihnen je einen Zinnbecher in die Hand und verließ dann den Saal. Dorian schaute sich die Gesichter der Gäste an. Sie kamen ihm durchwegs bekannt vor, schienen identisch mit denen zu sein, die er vor der kleinen Feldkirche gesehen hatte.
    »Der Count of Alkahest!«, verkündete Sekretär Valby. Er erschien in einer niedrigen Tür rechts hinter dem hohen Sessel. Wie selbstverständlich stand auch Dorian auf. Er folgte dem Beispiel der übrigen Gäste. Judy Leaders hingegen blieb trotzig sitzen; doch das wurde überhaupt nicht registriert.
    Und dann sah Dorian den Count of Alkahest. Auf den ersten Blick glich er seinem Sekretär, der ihn allerdings nur kopierte. Der Graf war noch größer, hagerer und bleicher als Valby. Er trug einen weiten, schwarzen Umhang, der mit Säureflecken übersät war. Wie glühende Kohlen wirkten die tief liegenden Augen dieses Mannes, der von seinen Gästen keine Kenntnis nahm. Mit schnellen, ungeduldigen Schritten eilte der Graf auf seinen hochlehnigen Sessel zu und ließ sich erschöpft darin nieder.
    Sein Sekretär wusste genau, wie die Zeremonie zu verlaufen hatte. Mit einer nachdrücklichen Handbewegung gab er den Gästen zu verstehen, dass sie sich zu setzen hatten. Dann verschwand er wieder hinter der niedrigen Tür und kam mit einer großen Zinnkanne zurück.
    Gesittet, fast demütig warteten die Frauen und Männer darauf, von dem Sekretär bedient zu werden, ohne Hast und Ungeduld. Alle warteten, bis sie an die Reihe kamen. Sie hielten ihre Zinnbecher hoch und ließen sich einen fast winzig zu nennenden Schluck eingießen. Keiner trank, bevor nicht alle Becher gefüllt waren.
    Auch Dorian hielt sich an diese Spielregel.
    Eine seltsame Ruhe hatte ihn erfasst. Er wusste, dass er es überstanden hatte. Die Tatsache, dass sein Becher gefüllt worden war, gab ihm die letzte Gewissheit. Er kümmerte sich nicht weiter um Judy, die von dem Sekretär als Letzte bedient worden war. John Valby blieb hinter ihr stehen, schien sie zu überwachen.
    Der Count gab kein Zeichen, verhielt sich völlig passiv, sah über seine Gäste hinweg; dennoch schien er ein geheimes Kommando gegeben zu haben. Die Männer und Frauen nahmen fast gleichzeitig die Becher hoch, hielten sie in Richtung des Grafen und führten die Becher dann sehr gesittet an die Lippen.
    Auch Dorian trank.
    Es handelte sich wirklich nur um einen kleinen

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