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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Wolf
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Ernennung der beiden Inquisitoren erfahren hatte. Man lobte sie überall in den höchsten Tönen. Sie sollten intelligent und schlau sein, gebildet und gottgläubig. Selbst am Obersten Gerichtshof von Nancy hatte sich ein Richter zu dem Hexenunwesen folgendermaßen geäußert: „Wir brauchen einen Jakob Sprenger oder einen Heinrich Institoris, dann würde unser Land schnell von Hexen und Teufeln befreit sein.“
    Das Frühstück nahm ich in der Gaststube ein. Es war schon spät, als ich an einem Tisch am Fenster Platz nahm. Nur drei Gäste waren außer mir anwesend: ein junges Paar, das sich auf der Durchreise befand und gleich nach meinem Erscheinen aufbrach, und eine ältere, vornehm wirkende Dame. Sie erwiderte meinen Morgengruß mit einem Niederschlagen der Lider.
    Bevor ich noch den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte, machte ich die erste Bekanntschaft mit einem der beiden Inquisitoren. Das heißt, ich wurde ihm nicht vorgestellt, noch bekam ich ihn überhaupt zu Gesicht. Ich wurde nur auf ihn aufmerksam gemacht.
    Der Wirt kam ganz aufgeregt die Treppe heruntergelaufen, durchquerte die Gaststube, ohne seiner Gäste gewahr zu werden, und stolperte auf die Straße hinaus. Auch aus anderen Häusern stürmten die Leute auf die Straße und bildeten ein Spalier. Als dann eine schwarze Kutsche mit goldenen Verzierungen vorbeifuhr, dachte ich, daß mindestens der Bischof in der Kutsche sitzen würde, denn die Menge brach in einen unbeschreiblichen Jubel aus.
    Doch vom Wirt – er hieß übrigens Hans Stiecher – erfuhr ich: „Das war seine Eminenz, der Großinquisitor Jakob Sprenger.“
    Ich lächelte. Die Tatsache, daß das Volk dem Ketzerrichter einen Kardinalstitel verlieh und ihn vor seinem Amtsantritt zum Großinquisitor beförderte, ließ mich erkennen, wie hoch Jakob Sprenger in der Gunst der Bevölkerung stand.
    „Der Herr Baron müssen wissen, daß Seine Heiligkeit der Papst höchstpersönlich Seine Eminenz zum Großinquisitor ernannt hat“, fuhr der Wirt fort.
    „Ich weiß, man spricht überall davon.“ Er wollte sich buckelnd zurückziehen, aber ich bat: „Bleib hier, Wirt!“
    „Wie Herr Baron wünschen. Was kann ich für Euer Gnaden tun?“
    „Konstanz macht mir ganz den Eindruck, als würden hier durchwegs fromme und ehrbare Leute wohnen“, sagte ich. „Wieso hat dann die Inquisition gerade hier ihren Sitz?“
    „Das Übel nimmt schnell überhand. Auch die Frömmsten bleiben vom Bösen nicht verschont, Euer Gnaden. Es wird Zeit, daß etwas geschieht. Denn man hört schon auf den Friedhöfen von Konstanz und in der Umgegend das Schmatzen der Toten im Grabe und das schaurige Flattern der Vampire, die sich in Fledermäuse verwandelt haben. Wißt Ihr, wohin Seine Eminenz unterwegs ist? Auf dem Marktplatz, an dem Ihr bei Eurer Ankunft vorbeigekommen sein müßt, werden zwei Hexen verbrannt, die bislang unbekannt ihr Unwesen in unserer Stadt trieben. Erst Seine Eminenz hat sie entlarvt und ihnen das Geständnis abgerungen, mit dem Teufel im Bunde zu sein.“
    Der Wirt drehte sich erschrocken um, als er ein Geräusch in seinem Rücken hörte, aber es war nur das Stuhlrücken der Frau, die sich abrupt erhoben hatte und nun mit gerafften Röcken dem Ausgang zustrebte.
    „Wer ist diese Frau?“ wollte ich von ihm wissen, als wir allein waren.
    „Oh!“ jammerte er. „Sie ist die Witwe des Herrn Mengerdorf, der vor Jahren der Hexerei überführt wurde und seine Erlösung vor dem Henker gefunden hat. Viele sehen sie heute noch mit scheelen Augen an, aber ich halte sie für eine ehrliche Frau mit reiner Seele und habe Mitleid mit ihr. Sie kommt zu den Mahlzeiten hierher und ißt und trinkt gegen geringes Entgelt. Sie lebt ganz allein und zurückgezogen am anderen Ende der Stadt.“
    „Und du glaubst nicht, daß sie mit ihrem Mann im Bunde war?“ fragte ich.
    „Seht sie an, Euer Gnaden! Sieht so eine Hexe aus? Hat eine Hexe Demut in ihrem Blick, spiegelt sich Leid in ihrem Gesicht? Nein, Euer Gnaden, sie muß fromm sein.“
    „Ich habe Hexen gesehen, die im normalen Leben brave Ehefrauen und fürsorgliche Mütter gewesen waren.“
    „Der Herr Baron meinen …“, stammelte der Wirt und unterbrach sich selbst.
    „Ich will nichts gegen die Witwe Mengerdorf gesagt haben, meine Ansicht war es nur, dich darauf hinzuweisen, daß es Wölfe im Schafspelz gibt.“
    „Von der Witwe Mengerdorf kann ich so etwas nicht glauben“, sagte er verstört.
    „Beruhige dich wieder, Wirt! Sage mir nur noch, warum

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