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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Wolf
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stehen. Der Bäcker Halber, dessen Brot manchmal einen seltsamen Beigeschmack hatte; seine Frau, die es mit der Treue angeblich nicht so genau nahm; der Senator Valkenberg, dem man nachsagte, daß er Kinder zur Unzucht verleiten würde; der Eichmeister Liebler, der mit dem Bäcker Halber im Bunde stehen und seine falschen Maße für gut befinden solle; der Kanonikus
     

     
    Haach, der sich angeblich noch nie bekreuzigt hatte; und auch die Witwe Mengerdorf, der der Wirt Hans Stiecher nur den besten Leumund ausstellte.
    „Berichte mir mehr über die Witwe Mengerdorf“, verlangte ich von Eustache.
    Aber viel wußte er nicht zu berichten. Er hatte von einer Dirn, auf deren Wort man nicht allzuviel geben sollte, erfahren, daß die Frau Mengerdorf ihren Mann nur der Hexerei beschuldigte und ihn aufs Schafott brachte, um unzüchtig leben zu können. Ihr Mann wäre in Wirklichkeit unschuldig gewesen, was er bis zuletzt beteuert hätte. Die Witwe Mengerdorf wäre dagegen von besagter Dirne dabei beobachtet worden, wie sie einen Wanderer – einen nur kurz in Konstanz verweilenden Spielmann – zu sich ins Haus geholt und die ganze Nacht bei sich behalten hatte.
    Ich entließ Eustache mit dem Auftrag, mir weitere Informationen über die Witwe Mengerdorf zu beschaffen.
    Als ich meinen Diener aus dem Haus ließ und mir in der verwaisten Schankstube noch einen Krug Wein besorgen wollte, ertappte ich das Mädchen Brunhilde dabei, wie sie sich mit einem Bündel in der Hand aus dem Haus stahl. Sie erschrak fast zu Tode, als ich nach ihr griff, und nachdem sie mich erkannt hatte, lag sie vor Angst zitternd an meiner Brust.
    „Ich bleibe nicht mehr länger in diesem verhexten Haus“, schluchzte sie. „Ich gehe fort.“
    „Wohin willst du denn?“
    „Ich weiß es nicht“, bekannte sie. „Irgendwohin. Nur weg aus diesem Haus, über dem ein Fluch liegt.“
    „Willst du nicht erst einmal mit auf mein Zimmer kommen und dich bei einem Glas Wein aufwärmen?“ schlug ich ihr vor. „Wenn du dich beruhigt hast und wir wissen, was aus dir werden soll, kannst du immer noch dein Ränzchen packen.“
    „Das ist gütig von Euer Gnaden.“
    Der Wein und die Behaglichkeit meines Zimmer lösten ihre Zunge, und so erfuhr ich von ihr eine Geschichte, die die Vorfälle in diesem Gasthof in einem gänzlich anderen Licht erscheinen ließ.
    „Es war vor einem halben Jahr, Euer Gnaden, Sommer war’s, als ich in die Dienste des Wirtes Stiecher trat. Ich war so glücklich, in einem so guten Haus untergekommen zu sein. Darum schenkte ich dem, was ich schon am zweiten Tag meines Hierseins erlebte, auch keine besondere Beachtung. Aber jetzt, da auch die Wirtin mit denselben Anzeichen wie damals der Wirt im Bett lag, bekam ich Angst. Und es ist jetzt auch viel furchtbarer, weil die Wirtin wirklich starb. Gott erbarme sich ihrer Seele! Als ich eingestellt wurde, sah ich den Wirt nur kurz. Die Wirtin, die immer anständig zu mir war, sagte am nächsten Tag, daß ihr Gemahl verreist sei. Die Wirtin hatte uns damals alle belogen. Sie sah kränklich aus und hatte ganz verweinte Augen, und des Nachts hörte ich sie schluchzen. Als ich tags darauf zufällig an ihrem Schlafgemach vorbeikam, stand die Tür offen. Ich wollte sie schließen. Und da sah ich ihn im Bett liegen – den Wirt. Ich glaubte, er wäre tot, denn genauso sah er aus, und als ich – ich weiß heute nicht mehr, warum ich das tat – ins Zimmer ging und ihn berührte, war er ganz kalt. Er fühlte sich so an, als lebte er nicht mehr. Ich wollte weit fort von hier, war aber wie gelähmt. Als dann am nächsten Tag der Wirt wieder in der Gaststube erschien, überkam mich grenzenlose Erleichterung. Ich sprach zu niemandem über dieses Erlebnis, nicht einmal zu meinem Beichtvater, denn ich fürchtete, daß man mich mit Schimpf und Schande von hier fortjagen würde. Es schien ja alles wieder in Ordnung, und ich glaubte, die Wirtin hätte die Krankheit ihres Gemahls nur verschwiegen, um nicht in den Verruf zu kommen, die Pest sei in ihrem Haus. Doch nun hat die Wirtin dieselbe Krankheit befallen, und sie ist nicht wieder erwacht. Man hat sie begraben. Ich fürchte mich davor, Herr Baron, daß sie das Grab verlassen könnte und hierher …“
    Ihre Stimme erstickte in einem Schluchzen. Sie zitterte vor Angst und Kälte, und ich nahm sie mit in mein Bett, um sie zu wärmen, war aber nicht in der Verfassung, irgend etwas mit ihr anzustellen.
    Ich würde lange noch keine Frau haben können – nicht

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