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059 - Der Preller

059 - Der Preller

Titel: 059 - Der Preller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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sie hat mehr junge Leute zum Selbstmord getrieben und mehr verzweifelte Eltern geschröpft als hundert andere Frauen gleicher Klasse. Außerdem«, setzte er nachdenklich hinzu, »befürchte ich, daß sie mir auch die hunderttausend Pfund abnehmen wird, die ich aus dem Verkauf meiner Silbermine erlöst habe.«
    Paul starrte ihn verwundert an. Dann lachte er laut auf.
    »Das ist also dein Trick!« rief er. »Du hast dich mit der Dame schon bekannt gemacht?«
    »Ich habe mich lange Zeit mit ihr unterhalten. Langweilig genug war es, das kann ich dir flüstern. Ich habe anfangs keine Ahnung gehabt, daß bei der Sache etwas herausspringen würde. Miss Dolly ist eine Dame, die das Leben junger Leute nicht nur interessanter, sondern auch aufregender macht. Auch mich hat sie überzeugt, daß der rechte Platz für mich ihre Kreise seien. Morgen werde ich also diese Wohnung hier aufgeben und mich in jenen Zirkeln bewegen, die allein meinem Vermögen und meinen Reizen entsprechen. Ich habe mich gestern schon nach einer passenden Wohnung umgesehen und am Piccadilly etwas gefunden, was speziell für mich gebaut scheint. Die Wohnung wird mich möbliert zwar sechzig Pfund wöchentlich kosten, ist aber alles, was man sich nur wünschen kann. Wenn sie noch nicht weg ist, werden wir morgen abend schon darin schlafen.«
    Er blickte Sandy an, der eben mit dem verlangten Kakao eingetreten war.
    »Diese Kocharbeit hört nun auch für dich auf, Sandy«, sagte er.
    »Du wirst mein Kammerdiener, und du, Paul, kannst den Chauffeur markieren. Ich muß mir einen Wagen besorgen, und du weißt, daß ich an meine Chauffeure große Ansprüche zu stellen gewohnt bin.« - »Hm, hm!« war alles, was Paul erwiderte.
    Gegen halb zwei Uhr am folgenden Nachmittag stieg Miss Dolly de Mulle aus ihrem eleganten Wagen aus, empfangen vom Pförtner des Park-Hotels, der sie mit allen ihr zustehenden Ehren ins Vestibül begleitete. Neugierige Augen musterten die Dame, denn sie war allen Stammgästen des Hotels bestens bekannt. Viele der Anwesenden, die ihren Ruf kannten, sahen sich nach ihrem neuen Opfer um und fanden es in einem jungen Mann, der ihr mit allen Zeichen der Freude entgegeneilte.
    »Wie nett von Ihnen, Miss de Mulle«, rief er ihr zu. »Ich hatte immer noch daran gezweifelt, daß Sie Ihr Versprechen, mich hier zu treffen, halten würden.«
    »Ich halte jedes Versprechen«, sagte sie, »zweifelte jedoch meinerseits, ob Sie gleiches tun würden.«
    »Diese Vereinbarung hätte ich niemals vergessen«, flüsterte er.
    Anthony mußte wirklich die Schönheit des Mädchens bewundern, das er heute zum ersten Male bei Tageslicht sah. Im Speisesaal zog sie nachlässig ihre Handschuhe aus.
    »Besuchen Sie oft den Klub?« fragte sie.
    »Nein«, erwiderte Anthony. »Ich habe Angst vor solchen eleganten Plätzen. Ich bin ja nur ein gewöhnlicher Goldgräber.«
    »Eigentlich sind Sie für einen solchen Beruf noch recht jung«, meinte sie. »Was wollen Sie denn überhaupt in London?«
    »Ich suche eine sichere Anlage für mein Geld«, vertraute er ihr an. »Mir gefällt es zwar hier gut genug, aber es kommen auch Stunden, wo mich die Wälder Ontarios zu rufen scheinen.«
    »Mit hunderttausend Pfund kann man schon allerlei anfangen«, sagte sie und blickte ihn nachdenklich an. »Ich habe einige recht gute Beziehungen zu Leuten, die mit Kapitalanlagen Bescheid wissen, und bin vielleicht in der Lage, Ihnen etwas Gutes nachzuweisen.«
    So, so? dachte Anthony. So also will sie es drehen? Er war gespannt darauf, welchen Weg sie einschlagen würde, ihm sein Geld abzunehmen, ohne selbst irgendwelches Risiko zu laufen. Wahrscheinlich sollte seinetwillen ein Luftgeschäft entriert werden. Unzweifelhaft hatte sie irgendwo im Hintergrund die passenden Leute bereit, diesen ›Hinterwäldler‹ zu neppen.
    Wenn er sie aber anblickte, ihre unschuldigen blauen Augen und die entzückenden Grübchen in ihren Wangen in Betracht zog, vermochte er es kaum zu glauben, daß dies die Frau war, die Nelson Grey zum Selbstmord getrieben, den jungen Lord Feltan ruiniert und Dutzende anderer junger, leicht empfänglicher Leute an den Rand des Abgrunds gebracht hatte. Erst als sie nochmals von seinem Vermögen zu sprechen anfing, stand er mit beiden Füßen wieder fest auf dem Boden der Tatsachen.
    »Ich selbst verstehe nur wenig von derartigen Dingen«, bemerkte sie, »aber meine Freunde sind sehr klug. Einer von ihnen erzählte mir erst vorige Woche etwas von der Gründung einer Gesellschaft -

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