059 - Der Preller
leise hüstelte. Mr. Bidder erschrak, denn vor ihm stand ein Mann in langem Leinenmantel, der sich, Gesicht und Hals von einer Maske verborgen, höflich für sein unerwartetes Erscheinen entschuldigte.
»Verzeihen Sie meinen melodramatischen Auftritt mit Maske«, bat der Eindringling. »Ich hasse derartige Dinge, aber die Versuchung, einen Damenstrumpf zur Maskierung zu benutzen, war zu groß.«
»Verdammt, wer sind Sie?« Mr. Bidder war bleich geworden.
»Ich bin Mr. Henry M. Nemesis«, gab der andere zurück. »Wenn Sie Ihre Hände nicht ruhig halten und immer an Ihrer Hüfttasche nach dem Revolver herumfingern, muß ich Sie kampfunfähig machen, mein Herr. Ich mußte mich leider bei meinem diesmaligen Unternehmen in Widerspruch zur Polizeiverordnung setzen, die unbefugtes Waffentragen verbietet. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich gut schieße, und ich kann nicht umhin, schon jetzt mein Bedauern auszusprechen, wenn ich Sie mit einer widerrechtlich mitgeführten Pistole totschießen müßte.«
»Machen Sie, daß Sie weiterkommen«, zischte der Bedrohte. »Was wollen Sie von mir? Die Wohnung gehört zwar mir, aber nicht der Inhalt. Ich habe ihn nur gemietet.«
»Das weiß ich«, erklärte der Besucher ruhig. »Ich möchte Ihre Brieftasche mit den vielen neuen Tausend-Pfund-Noten, die Sie heute nachmittag bei Ihrer Bank abgeholt haben. Sie waren ja die letzten drei Tage sehr mit Einnehmern beschäftigt.«
»Der Teufel soll Sie ...«
»Das wird er nicht, das heißt, Sie würden es nicht merken, wenn er mich holt, es sei denn, Ihr Astralleib nimmt Kenntnis davon. Kann man eigentlich Geister von Abgeschiedenen fotografieren?«
»Reden Sie keinen Unsinn!« Bidder war unruhig geworden. »Ich will mit Ihnen ein Abkommen treffen. Hier haben Sie tausend Pfund, und nun machen Sie, daß Sie fortkommen.«
»Nein, mein Freund. Alles, was Sie in der Tasche haben, will ich. Wenn Sie frech werden, nehme ich Ihnen nicht nur Ihr Geld weg, sondern verbrenne auch noch Ihren Paß«, fügte der Maskierte drohend hinzu. Bidder sank halb ohnmächtig auf einen Stuhl.
Aber erst nach etwa fünf weiteren Minuten hatte er eingesehen, daß sein Besucher es ernst meinte.
»Ich werde mich bei Ihnen für diese Niederträchtigkeit revanchieren«, drohte er halb schluchzend, als er endlich dem Preller seine Brieftasche einhändigte.
»Diese Worte kommen mir bekannt vor. So wurde mir nämlich schon oft gedroht.« Er zählte die Noten durch: »Achttausend Pfund?« Er pfiff überrascht vor sich hin. »Also nur sechzehntausend Lämmlein sind ins Garn gegangen, wie? Nein, so bescheiden schätze ich Ihre Kunst doch nicht ein, mein Freund. Los, die andere Brieftasche, die Sie noch irgendwo stecken haben!«
Leggenstein zog eine zweite Börse. Wieder zählte Anthony.
»Ja, das mag, abgesehen von einigen tausend Pfund, die Sie noch haben, eher stimmen.«
Der Blick, den ihm Leggenstein zuwarf, sprach Bände.
»Ich lasse Ihnen, was Sie noch im Stiefel stecken haben, mein Freund«, beruhigte ihn sein Besucher. »Ich bin kein solcher Raffer wie Sie. Die Zeitungen werden wohl auch ihrem Geld nachtrauern müssen, wie? Achtzehn Monate haben Sie den heutigen Schlager vorbereitet. Schöne Strümpfe und vor allen Dingen billig, ihr Frauen Englands!«
Endlich fand Mr. Bidder die Sprache wieder:
»Sie sind wohl von der Polente?« fragte er.
»Seit wann trägt die Kriminalpolizei Masken?« erkundigte sich der Preller seelenruhig. »Seien Sie doch vernünftig, Leggenstein. Sie kennen doch die Polizei, denn Sie haben ja für eine ähnliche Sache wie diese schon gesessen. Nehmen Sie Ihre Handtasche und gehen Sie in Frieden. Denken Sie aber daran, daß ich Sie bis zur Haustür beobachten werde.«
An der Tür drehte sich der Geprellte nochmals um. Sein Gesicht war wutverzerrt.
»Meine Zeit wird kommen«, drohte er. »Wenn ich ein Ganove bin - bist du vielleicht etwas anderes? Ich bestehle das Publikum, du aber auch, und zwar durch mich!«
»Nein, mein lieber Freund«, gab Anthony zurück. »Ich will nur der verschwenderischen Weiblichkeit eine Lektion über Sparsamkeit erteilen. Ich halte es für ein Verbrechen, Geld für seidene Strümpfe auszugeben. Los, verschwinden Sie! Ich gebe Ihnen zehn Minuten Zeit, sich davonzumachen, und wenn Ihnen meine Methoden nicht passen, können Sie sich bei der Polizei beschweren, die ja, soweit ich unterrichtet bin, sich jetzt schon für Ihr Strumpflager zu interessieren beginnt.«
Mr. Bidder machte sich
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