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059 - Der Preller

059 - Der Preller

Titel: 059 - Der Preller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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herauf.«
    Paul erschien. Die Chauffeurmütze in der Hand, hörte er dem Bericht des Freundes über die unheilvolle Begegnung im Circus-Hotel schweigend zu. Endlich sagte er:
    »Ich glaube nicht, daß er uns Unannehmlichkeiten bereiten wird, Anthony.«
    »Da bin ich anderer Meinung, denn Jones machte mir von jeher den Eindruck, als wäre er ein Mann, der mit jeder Kleinigkeit zur Polizei läuft.«
    »Na, jedenfalls hat er aber keine Ahnung davon, was du gegen Dolly im Schilde führst«, beruhigte ihn Wensley. »Ist er dir nachgegangen?«
    »Nein. Ich nahm mir ein Taxi bis zur Marble-Arch-Untergrundbahnstation, dann schlug ich einen Haken bis zur Chancery Lane zurück, um erst von dort aus mich hierher zu begeben. Auf alle Fälle müssen wir uns aber sofort darauf einstellen, noch heute nacht zu rücken.«
    »Welchen Plan hast du im Auge?« erkundigte sich Paul.
    »Du bleibst dauernd mit deinem Wagen an der Parkecke, die ja nur hundertfünfzig Meter von der Albert-Hall entfernt ist. Von zehn Uhr abends ab muß der Motor laufen.«
    »Und wie willst du an Miss Dolly herankommen?«
    Anthony schüttelte übelgelaunt den Kopf.
    »Ich habe dir doch schon hundertmal gesagt«, gab er zurück, »daß ich darüber noch gar keinen Plan gefaßt habe. Ich werde das tun, was mir der Augenblick eingibt.«
    Er hatte sich noch niemals eine Aufgabe gestellt, an die er mit größerer Unlust herangegangen war als an diese. Er hatte tatsächlich Gewissensbisse, Miss de Mulle um ihre unrechtmäßig erworbenen Schätze zu erleichtern.
    Im Kostüm eines Pierrot, das Gesicht mit Gips bestrichen, trat er am Abend in den Saal der Albert-Hall. Niemals war ihm, trotz des bevorstehenden lustigen Festes, das Herz so schwer gewesen wie in diesem Augenblick. Es war gegen halb zehn, als er den Saal betrat, aber es herrschte schon ziemliches Gedränge. Er warf einen Blick auf die Logen und sah in einer davon Dolly ganz allein sitzen. Kurz darauf klopfte er an die Logentür und trat auf das »Herein« des Mädchens ein.
    Dolly sah entzückend aus. Lange Ketten ausgewähltester Perlen schmückten ihren Hals, ein Diadem großer Diamanten verbreitete sprühendes Feuer, ein riesiger Smaragd glänzte in dem Turban, der ihr Haar verbarg. Wie eine Drohung schien er Anthony anzustarren.
    »Kommen Sie«, bat sie ihn mit leiser Stimme. »Setzen Sie sich. Nein, nicht dort drüben! Hier, im Hintergrund der Loge.«
    Die sonderbare Betonung, mit der sie sprach, erregte sofort Anthonys ganze Aufmerksamkeit. Er wußte, daß er in Gefahr war. Nur mit Aufbietung aller seiner Energie zwang er sich, den von ihr angedeuteten Platz einzunehmen, ohne sich etwas von seinem Mißtrauen anmerken zu lassen.
    Vom Stuhl, den sie ihm angewiesen hatte, konnte er zwar den ganzen Saal überblicken, selbst aber von unten, wie er schnell genug ausfindig machte, nicht gesehen werden. Nur einen kurzen Augenblick lang ruhten seine Blicke auf dem Vermögen, das Dolly da mit sich herumschleppte, und schweiften sofort wieder ab, denn eine innere Stimme sagte ihm, daß er diese Werte niemals sein eigen nennen würde. Von Anfang an hatte er sich gegen die Beraubung dieses Mädchens gesträubt, und niemals war ihm einer seiner beabsichtigten Streiche so abstoßend erschienen wie in diesem Fall.
    »So, da sitzen Sie gut, Mr. Preller«, fuhr das Mädchen fort. Trotz aller Selbstbeherrschung sprang Anthony auf.
    »Sie sind ein netter Kerl«, sagte Dolly und starrte ihn mit merkwürdigen Blicken an, »und ich habe Sie wirklich sehr gern. Und - Sie hätten mich wirklich mit der Geschichte von Ihren hunderttausend Pfund Vermögen beinahe geleimt.«
    »Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen, Miss de Mulle«, wollte Anthony den Unbefangenen spielen.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Lassen Sie doch das Leugnen«, sagte sie. »Die Lage ist für Sie wirklich zu gefährlich, um hier Wortgefechte zu führen.«
    »Gefährlich? Für mich?«
    »Unten im Vestibül warten vier Kriminalbeamte auf Sie«, erklärte sie ihm.
    Ein kurzes, beklemmendes Schweigen trat ein.
    Dann fuhr sie fort:
    »Nebenbei bemerkt, warten sie auf mich.«
    »Auf Sie?« fragte er überrascht.
    »Ja, aber nur, wie gesagt, nebenbei. Die Leute wissen, wo ich mich aufhalte. Mein lieber Mr. Preller - entschuldigen Sie, daß ich diesen Spitznamen gebrauche, aber ich kenne ja Ihren wirklichen nicht -, Sie werden mich wohl für eine Person halten, die ihr ganzes Frauenleben zu nichts anderem benutzt hat, als ›grüne‹ reiche und junge Leute um ihr

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