059 - Monster aus der Retorte
ich sagen. Damals suchte noch der Vater den Mann für seine Tochter aus, ob sie den nun mochte oder nicht – sie mußte ihn nehmen.«
»Du verteidigst Tab sehr leidenschaftlich.«
»Wie ich schon sagte, ich liebe ihn.«
Cyril Fulton nickte. »Und diese Liebe macht dich blind – und wenn dir dein Vater, der es bestimmt gut mit dir meint, die Augen öffnen möchte, fauchst du ihn wie eine angriffslustige Tigerin an. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Vielleicht erkennst du selbst, wie kalt und berechnend dieser Mann ist. Eine Verlobung kann man lösen. Eine Ehe kann man scheiden…«
»Du hoffst vergeblich, Vater. Es wird weder das eine noch das andere passieren. Könnten wir das Thema wechseln? Ich möchte mich nicht weiter mit dir über Tab unterhalten. Es kommt nichts dabei heraus.«
Eine Weile herrschte Schweigen im Fond des Lincoln. Wie schwarzer Lack glänzte das lange Haar des hübschen Mädchens, und ihre dunklen Augen verschossen immer noch leidenschaftliche Blitze.
Sie ließ sich Tab Pinsent von ihrem Vater nicht vermiesen und schon gar nicht ausreden. Tab war ein wunderbarer Mann, aufmerksam, zärtlich – und er sah hervorragend aus.
Mit ihm wollte Joan durchs Leben gehen und ihre Sorgen teilen – und sie hatte noch immer erreicht, was sie sich ganz fest vornahm.
Der Lincoln blieb vor dem Verlagshochhaus stehen. Der Chauffeur stieg aus und öffnete zuerst für Joan und dann für ihren Vater den Wagenschlag.
Auf dem Weg zum Lift wurden sie unzählige Male gegrüßt. Im Fahrstuhl waren sie allein.
Joan Fulton war Mitinhaberin der Zeitung. Als sie einundzwanzig geworden war, hatte sie ihr Vater mit fünfundzwanzig Prozent beteiligt, damit sie ein gesichertes Einkommen hatte.
Sie gehörte dem Redaktionsstab nicht fest an, sah sich als freie Mitarbeiterin und schrieb mal für die Wirtschafts-, Politik- oder Frauenseite. Diese Arbeit machte ihr Spaß, und ihre Artikel hatten Niveau und Pep.
Natürlich kamen sie auch heute nicht zu spät, aber ein Großteil der Redakteure hatte sich bereits im Konferenzraum eingefunden.
Während Cyril Fulton seine Mitarbeiter begrüßte, zog Tab Pinsent seine Verlobte lächelnd auf die Seite und küßte sie.
»Tab! Doch nicht hier!« protestierte das Mädchen.
»Warum nicht? Wir sind verlobt. Alle wissen es.«
»Aber es gehört sich nicht…«
»Quatsch! Wirf die verstaubten Regeln über Bord, sie haben für uns keine Gültigkeit.«
Sie löste sich von ihm. »Die Konferenz beginnt gleich.«
»Ich gehe da nicht hinein, ehe du mir gesagt hast, daß du mich liebst.«
Und dieser Mann soll kalt und berechnend sein? dachte Joan Fulton. Nein, Vater, du bist zwar ein großartiger Menschenkenner, aber in Tab irrst du dich. Du spürst die Wärme nicht wie ich.
Sie lachte. »Klar liebe ich dich. Was dachtest du denn? Ich liebte dich gestern, liebe dich heute und werde dich morgen lieben. Zufrieden?«
»Nein.«
»Nein?« Sie schaute ihn verwundert an. »Was willst du denn noch?«
»Wie sieht’s mit deiner Liebe übermorgen aus?«
Sie boxte ihn leicht. »Verrückter Kerl.«
Er blickte auf seine Uhr. »Ich muß noch schnell in mein Büro.«
»Das fällt dir jetzt ein? Es ist höchste Eisenbahn. Die Konferenz beginnt gleich.«
»Nur zwei Minuten«, sagte Tab Pinsent und eilte davon.
Als sich Joan Fulton in den Konferenzraum begeben wollte, wurde sie von einer Sekretärin ans Telefon gerufen.
Sie begab sich in das neben dem Konferenzraum liegende Büro.
Die Sekretärin blieb draußen. Joan griff nach dem taubengrauen Hörer, der neben dem Apparat lag, und meldete sich.
»Miß Joan Fulton?« fragte eine Stimme, die mit Sicherheit verstellt war.
»Ja. Wer spricht?«
»Mein Name ist unwichtig. Sie sollten aber dennoch nicht auflegen, sondern mir zuhören, denn ich habe Ihnen etwas sehr Wichtiges zu sagen.«
Es gab immer wieder Leute, die einer Zeitung einen Hinweis auf irgendwelche Mißstände geben wollten, es aber vorzogen, nicht aus der Anonymität hervorzutreten. Aus Mangel an Mut, aus Angst vor Schwierigkeiten… Aus den verschiedensten Gründen.
»Ich höre«, sagte Joan. Wenn der Mann etwas Interessantes für sie hatte, würde sie heute noch mit den Recherchen beginnen, denn so ein Anruf allein genügte nicht, um sie zu verleiten, einen Artikel zu verfassen.
Zuerst mußten die Angaben überprüft werden. Erst wenn sich die Fakten als hieb- und stichfest erwiesen, würde sich Joan an die Schreibmaschine setzen.
Es gab natürlich auch Journalisten,
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