059 - Monster aus der Retorte
in ein Haus der Trauer. Der Butler führte uns in einen riesigen Salon. Das Ölporträt an der Wand, das Cyril Fulton zeigte, war mit einem schwarzen Band versehen.
Schwarz gekleidet waren Joan Fulton und ihr Verlobter Tab Pinsent. Ich sah auch noch eine dritte Person im Raum, einen eleganten Mahn mit leicht angegrauten Schläfen, im korrekt sitzenden Maßanzug aus dunkelgrauem Flanell. Mir kam vor, als hätte ich ihn schon mal irgendwo gesehen, wußte aber nicht, wo ich ihn unterbringen sollte.
Noel Bannister wies sich aus, nannte seinen Namen und stellte mich der Einfachheit halber als seinen Kollegen vor.
Von Joan Fulton erfuhren wir, wie der Mann im grauen Flanell hieß. Sein Name war Lawrence Hartford, er war ein Freund des Hauses.
Bei mir fiel der Groschen. Hartford gehörte zu den hundert reichsten Männern der Welt. Er hatte sich vor etwa fünfzehn Jahren die Verrücktheit geleistet, ein Schloß in England Stein für Stein abtragen, nach Amerika bringen und hier wieder aufbauen zu lassen.
Sein Name und sein Foto gingen damals durch die Weltpresse, und ich stellte fest, daß er sich kaum verändert hatte.
Als er erfuhr, daß ich von seiner Eskapade wußte, lächelte er schwach.
»Besitzen Sie das Schloß noch?« wollte ich wissen.
»Ja, und ich wohne auch noch darin«, antwortete Lawrence Hartford. »Kein anderes Gebäude kann einem soviel Geborgenheit vermitteln.«
»Das Unternehmen muß ein Vermögen verschlungen haben.«
»Ganz recht, Mr. Ballard, aber mich hat kein Cent, den ich dafür ausgegeben habe, bisher gereut. Vielleicht wollte ich deshalb schon immer in einem Schloß wohnen, weil meine Vorfahren Engländer waren und ein Schloß ihr eigen nannten. Ich habe mir einen Traum erfüllt.«
»Joan hat schreckliche Stunden hinter sich«, sagte Tab Pinsent fürsorglich. Er stellte sich hinter das sitzende bleiche Mädchen und legte ihr schützend die Hand auf die Schulter. Sie griff danach. »Ich möchte Sie deshalb bitten, Ihren Besuch so kurz wie möglich zu halten, Gentlemen.«
»Keine Sorge, Mr. Pinsent«, erwiderte Noel Bannister. »Wir haben nicht die Absicht, Ihre Verlobte in eine zweite Nervenkrise zu manövrieren. Da wir aber wissen müssen, was sich gestern im Verlagsgebäude genau ereignet hat, sind wir gezwungen, ein paar Fragen zu stellen. Natürlich haben wir gelesen, was in der Zeitung steht, aber Sie wissen ja selbst am besten, wie locker manche Reporter die Berichterstattung handhaben. Das sollte natürlich keine Spitze gegen Sie sein.«
»So fassen wir es auch nicht auf, Mr. Bannister«, sagte Tab Pinsent kühl.
»Es passierte also während einer Konferenz«, sagte Noel. »War das eine besondere Sitzung?«
»Es war die allwöchentliche Konferenz, in der Mr. Fulton zumeist mit seinen Mitarbeitern die bevorstehenden Ausgaben besprach. Er hörte sich unsere Probleme an und versuchte mit Rat und Tat zu helfen.«
»Die gestrige Sitzung dauerte nur fünfzehn Minuten.«
»Das ist richtig. Dann griffen diese verdammten Höllenbienen an. Kein Mensch weiß, woher sie kamen und wohin sie nach dieser fürchterlichen Attacke flogen.«
»Wer sah sie zuerst?«
»Ich«, sagte Joan Fulton leise. Sie schaute Noel Bannister nicht an. Ihr Blick war in eine geistige Ferne gerichtet. »Ich konnte es nicht glauben. Nie zuvor habe ich so große Bienen gesehen. Ich war wie gelähmt…«
»Wie viele Bienen waren es, Miß Fulton?« schaltete ich mich in das Gespräch ein.
»Acht oder zehn. So genau weiß ich das nicht, Mr. Ballard«, antwortete das blasse Mädchen. »Sie flogen in einer Keilformation, die größte und stärkste Biene voran. Ich… ich kann das alles immer noch nicht fassen. Aber es ist passiert. Wir alle haben es erlebt, der gesamte Redaktionsstab.«
Ich bat Joan Fulton, den genauen Ablauf des Angriffs zu schildern. Das nahm sie ziemlich her. Sie mußte immer wieder absetzen, und Tab Pinsent sah sie sehr besorgt an.
»Tab alarmierte den Sicherheitsdienst«, erzählte das schwarzhaarige Mädchen mit dünner Stimme weiter. »Aber Mr. Dane und seine Männer kamen zu spät. Sie konnten meinen Vater nicht mehr retten.«
»Heute frage ich mich, ob sie Mr. Fulton hätten retten können, wenn sie früher eingetroffen wären«, sagte Tab Pinsent.
»Vielleicht kann man diesen fliegenden Ungeheuern mit Revolverkugeln gar nichts anhaben. Wenn Sie mich fragen, ich halte diese Mörderbienen für eine Naturkatastrophe. Die Umwelt, die wir jahrzehntelang geknechtet und vergiftet haben,
Weitere Kostenlose Bücher