0592 - Die Wächter der Verfluchten
nicht beleidigen«, sagte er. »Aber ich muß meinem… äh, Freund leider folgen!«
»Es ist nicht gut, was ihr tut«, sagte Loana, und ihr Blick war flehend.
Zamorra stöhnte, er konnte seinen Freund doch nicht einfach allein lassen. Natürlich gefiel ihm das alles nicht. Er war nicht der Mann, der die Gebräuche anderer Menschen ignorierte, und Robert Tendyke eigentlich auch nicht.
Warum legte der Abenteurer eine derartige Hast und Hektik an den Tag?
Gut, vielleicht hatte er vor 300 Jahren hier etwas Entsetzliches erlebt, das für ihn zu einem Trauma geworden war. Das rechtfertigte jedoch nicht die Art seines jetzigen Vorgehens.
So hatte ihn Zamorra noch nie erlebt. Bisher hatte Tendyke immer versucht, auf andere Kulturen einzugehen oder zumindest Rücksicht zu üben.
Warum tat er es diesmal nicht?
»Verdammt noch mal, wenn der Bursche wenigstens was sagen würde«, murmelte Zamorra.
Solange Tendyke keine Einzelheiten über die damaligen Vorgänge erzählte, konnte Zamorra ihn nur blind unterstützen und hoffen, daß er dabei das Richtige tat.
Sicher war er allerdings nicht…
***
Vergangenheit:
Robert van Dyke hörte den Schrei und wirbelte sogleich herum, da tauchte wie aus dem Nichts plötzlich Takaroa vor ihm auf.
Es war, als wachse der Eingeborene direkt aus dem Boden hervor!
Unwillkürlich ging van Dyke in Abwehrstellung.
Takaroa grinste diabolisch. Er hob die linke Hand…
Im nächsten Moment aber tauchte Jos hinter ihm auf.
»Aufpassen!« schrie er.
Immer noch grinsend, immer noch die Hand erhoben, fuhr Takaroa zu ihm herum.
Doch Takaroa hatte schlechte Karten, denn neben Jos erschienen jetzt auch Kapitän Heeremaas, der Koch und ein hünenhafter, muskelbepackter Mann, von dem van Dyke nur wußte, daß er Freder Pol genannt wurde. Wenn es in einer Hafenspelunke Ärger gab, reichte es, daß Pol sich vom Tisch erhob und sich drohend umsah - schlagartig herrschte dann Ruhe.
Jetzt zeigte Pol das gleiche Grinsen wie Takaroa zuvor, denn dessen Grinsen erstarb jetzt.
Van Dyke seufzte. Er warf einen verstohlenen Blick hinter sich. Er hatte damit gerechnet, daß jetzt hinter seinem Rücken einige von Takaroas Kriegern auftauchten. Aber nichts dergleichen geschah.
Takaroa stieß einen unverständlichen Wortschwall hervor und begann heftig zu gestikulieren. Van Dyke verstand zumindest, daß der Eingeborene nicht wollte, daß sie hinter den Rundhütten herumschlichen.
»Nur keine Sorge, Freundchen«, beschwichtigte ihn van Dyke. »Werden wir bestimmt ohne Grund nicht wieder tun. Ich wollte nur wissen, wohin du so eilig verschwunden bist. Ziemlich leer geworden, das Dorf, nicht wahr? Können doch nicht alle in den Hütten sein, oder? Also, wo steckt ihr alle?«
Stirnrunzelnd sah Takaroa ihn an. Dann antwortete er mit einem erneuten unverständlichen Redeschwall.
Aber irgendwie hatte van Dyke den Eindruck, als habe der Eingeborene recht deutlich verstanden, was der Schiffseigner gesagt hatte.
Mit einer weit ausholenden Geste bemühte sich Takaroa dann, die Weißen davonzuscheuchen, fort von dem Platz hinter diesen Hütten.
»Tun wir ihm den Gefallen«, sagte der Reeder.
Während sie zur Dorfmitte zurückkehrten, nickte er Heeremaas und Pol zu.
»Danke für die Unterstützung. Wie konnten Sie so schnell hier sein?«
»Wir waren in der Hütte, neben der Jos so losgebrüllt hat«, sagte der Kapitän trocken. »Bei Gott, dieser Mensch kann laut sein! Reißt einen aus der besten Stimmung, was, Freder?«
»Aye«, grunzte der Hüne und gab Jos einen freundschaftlichen Stoß. Der flog beinahe ein paar Meter durch die Luft. Stöhnend rieb er sich den Arm.
»Bring mich ruhig um«, murrte er. »Mach Arm kaputt! Muß Mädchen fragen. Streichelt gesund.« Er wollte sich von der kleinen Gruppe entfernen.
»Warte, Jos!« befahl van Dyke. »Warum hast du so laut geschrien? Ich dachte schon, sie bringen dich um.«
»Ich erschrecke, sahib. Wilder Kriegshäuptling steht vor mir, dann weg, und ich schreie.«
»Moment mal«, entfuhr es van Dyke. »Er steht vor dir und ist dann einfach weg? Wie ist das passiert?«
»Weiß nicht, effendi. Weg. Kerze an, Schatten da - Kerze aus, Schatten weg. So einfach. Der Mann ist wie ein Schatten.«
»Du bist ja dumm im Kopf«, brummte Freder Pol und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. Es klang seltsam dumpf pochend, und hätte er so auf eine Holzbohle losgehackt, er hätte sicher mit dem Finger ein Loch hineingestanzt. Sein robuster Schädel aber hielt stand.
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