0598 - Der Weg in den Schrecken
an, drückte zu und hörte das Knacken, bevor der Draht mit einem singenden Geräusch auseinanderflog.
Noch zweimal schnitt ich an verschiedenen Stellen, dann war das Loch groß genug, um mich durchzulassen. Allerdings mußte ich mich auf allen vieren bewegen.
Die Zange stecke ich wieder ein. Sie wog nicht einmal viel. Keine Schritte, keine fremden, verdächtigen Geräusche, auch keine Hunde, die das Gelände abliefen, nur meinen eigenen Atem hörte ich.
Weit entfernt lagen die Felsen. Die aber konnte ich in der Dunkelheit nicht einmal erahnen. Sie lagen viel zu weit weg.
Aber die Gebäude sah ich. Wie schwarze, viereckige Klumpen hoben sie sich vom Erdboden ab. Um das Haus des Reverends zu erreichen, mußte ich den größten Teil der Campfläche durchqueren.
Keine leichte Aufgabe.
Hinter wenigen Fenstern nur brannte Licht. Selbst die Räume, in denen sich die Heiminsassen aufhielten, waren dunkel. Man hatte hier alles unter Kontrolle.
Die weißgekleideten Wächter liefen mir auch in den folgenden Minuten nicht über den Weg, so daß ich unbemerkt Mr. Guthrys Haus erreichte.
Wo seine Büroräume lagen, war mir bekannt. Ich schaute durch die Scheibe, entdeckte aber nichts, denn es brannte kein Licht. In totaler Finsternis lag das Büro.
Wie sollte ich hineingelangen?
Geduckt schlich ich zur Eingangstür, probierte die Klinke. Die Tür war verschlossen.
Ich holte ein kleines Besteck hervor. Das Schloß war nicht das allerneueste, ich würde es mit meinem Werkzeug bestimmt knacken können. Es war eine Sache von einer halben Minute, dann war die Tür offen.
Glücklicherweise war sie gut geölt. Lautlos schwang sie zurück.
Ich duckte mich wieder und tauchte in den Flur. Schon am Nachmittag hatte es nach Bohnerwachs gerochen. Dieser Gestank war auch nicht verschwunden.
Der Reverend interessierte mich nicht, denn ich wollte mit den Kindern reden. Aber wo schliefen sie? Bestimmt nicht in den Büroräumen, ich mußte mich um die anderen Türen kümmern.
Leise ließ ich die Tür hinter mir zufallen. Wenn der Reverend die Kinder in seiner Nähe versammelt hielt, dann hatte er mit ihnen etwas vor, das war mir klar. Außerdem ging ich davon aus, daß es mit der Höhle oder dem Gesicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen mußte.
Zu sehen war nichts. Kein Flüstern, keine Stimmen, auch kein Atmen, alles war eben anders.
Ich lauschte zunächst an der ersten Tür, bevor ich sie öffnete und nicht viel sehen konnte. Jedenfalls befand sich kein Mensch im Raum, denn die Wände waren vollgestopft mit Regalen, in denen Aktenordner standen.
Das mußte so etwas wie das Archiv des Reverends sein, für mich vorerst unwichtig.
Hinter der nächsten Tür lag eine kleine Küche. Durch das Fenster konnte ich bis auf die dunkle Oberfläche des Pools schauen, wo hin und wieder ein heller Reflex über die kleinen Wellen lief.
Es war stickig und schwül zwischen den Wänden. Auch mir rann der Schweiß von der Stirn, als ich weiterging. Das Büro des Mannes lag auf der gegenüberliegenden Seite. Viel Auswahl hatte ich nicht mehr, öffnete die nächste Tür sehr vorsichtig, peilte durch den Spalt – und wußte sofort, daß ich an der richtigen Adresse war.
Mein Blick fiel in einen Schlafraum, in dem sechs Betten standen.
Waren sie belegt?
Erst als ich die Tür hinter meinem Rücken geschlossen und mich den ersten genähert hatte, sah ich die Umrisse der Körper, die sich von den Laken abhoben.
Die Kinder atmeten, mehr war auch nicht zu hören. Kein Gespräch, kein Flüstern, sie lagen für meinen Geschmack schon in einer unnatürlichen Ruhe da.
Oder hatte man sie unter Drogen gesetzt?
Als ich daran dachte, begann es in mir zu kochen. Neben dem ersten Bett blieb ich hocken, hob nur den Kopf an und peilte über die Kante genau in das Gesicht des dort auf dem Rücken liegenden Jungen. Wieder hatte ich Glück, denn es war Eric, der dieses Bett benutzte. Er mußte mich gesehen haben, doch er rührte sich nicht.
»Psssttt«, zischelte ich, als ich ihn an der Schulter berührte. »Bist du wach, Junge?«
Eric bewegte die Augen. In der Dunkelheit sah ich sogar das Weiße leuchten. Es zeichnete sich heller ab als das Rechteck des Fensters an der Stirnseite.
Ich wiederholte meine Frage.
»Wer sind Sie, Mister?«
Sehr genau hatte ich hinhören müssen, um die Frage verstehen zu können. Etwas irritiert war ich schon, weil mich Eric nicht erkannt hatte. »Kennst du mich nicht?«
»Nein.«
»Wir haben uns bei Commander Taylor
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