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0598 - Der Weg in den Schrecken

0598 - Der Weg in den Schrecken

Titel: 0598 - Der Weg in den Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gesehen.«
    Pause. Dann die Frage: »Wer ist das?«
    Ich bekam einen Stich durch die Brust. Verdammt, die Kinder schienen ihr Gedächtnis verloren zu haben. Was hatte dieser Teufel Guthry mit ihnen angestellt?
    »Ich bin John, mein Junge. Ist Sharon auch hier?«
    »Ja, gegenüber.«
    Gut, daß er wenigstens auf diese Frage geantwortet hatte. Mal sehen, wie es weiterlief, wenn ich beim eigentlichen Thema blieb.
    »Und weshalb seid ihr hier im Raum versammelt? Warum schlaft ihr nicht woanders, Junge?«
    »Ich habe es nicht gewollt. Der Reverend will es.«
    »Warum?«
    Eric bewegte die Hände, als wollte er von den Flächen den Schweiß abreiben. »Wir werden bald geholt. Der Reverend kommt und bringt uns in die andere Welt.«
    Das war schon was, dachte ich. »In welche Welt will er uns denn bringen?«
    »Der Riese, der Kopf, sein Maul – dahinter liegt die andere Welt. Wir werden zu kleinen Engeln, hat er gesagt. Ja, wir sollen zu Engeln werden.«
    Mir rann es kalt über den Rücken. Dieser Guthry war ein Schwein, er war eine Bestie, denn unter dem Begriff konnte ich mir nur das Schlimmste vorstellen. Ich sagte es allerdings nicht und fragte ganz normal weiter.
    »Wann wird man euch denn holen?«
    »Es ist noch in der Nacht. Es dauert nicht lange, das weiß ich. Dann gehen wir.«
    »Freust du dich darauf?«
    »Ja, er hat vom Paradies gesprochen.«
    »Das hast du schon gesehen, nicht wahr? Du und deine kleine Freundin Sharon…«
    »Wir waren da.«
    »Und was fiel euch auf?«
    »Ich weiß es nicht. Der Riese war so groß. Wir gingen durch den Tunnel in das Paradies, glaube ich. Aber heute können wir es ganz sicher sehen, das hat der Reverend versprochen.«
    »Ist gut, mein Junge. Willst du mir einen Gefallen tun?«
    »Gern.«
    »Sag niemandem, daß wir miteinander gesprochen haben.«
    »Ich verspreche es. Aber willst du nicht auch das Paradies sehen?« fragte er.
    »Mal schauen, wie es läuft. Es könnte nicht schaden, finde ich. Ach so, auch Sharon braucht nicht zu wissen, daß…« Ich sprach nicht mehr weiter, denn ich hatte vom Gang her Geräusche gehört, die mir bekannt vorkamen.
    Es waren Schritte, die sich der Tür näherten, und ich mußte davon ausgehen, daß die Kinder jetzt geholt wurden.
    »Kein Wort von mir!« schärfte ich Eric noch einmal ein und zog mich zurück. Ich lief dorthin, wo die Betten am weitesten von der Tür entfernt standen und konnte nur hoffen, daß der Eintretende darauf verzichtete, das Licht einzuschalten.
    Kaum hatte ich mich flach unter das letzte Bett gedrückt, da wurde die Tür schon geöffnet. Da ich unter den Betten hinwegschauen konnte, entdeckte ich auch den schmalen, grauen Streifen, der sich in den Schlafraum schob.
    War es Guthry, der in der Tür stand?
    Nein, ein anderer war von ihm geschickt worden. Kruger, der angebliche Erzieher und Sportlehrer. Ich hörte seine Stimme und erkannte sie sofort, auch wenn er nur flüsterte.
    Seine Worte richtete er eindringlich an die Jungen und Mädchen, die ihm gehorchten. Sie richteten sich in ihren Betten auf.
    »Das Paradies«, sagte Kruger, »wird auf euch warten. Der Reverend hat euch ausgesucht, euch den Weg gezeigt, euch vorbereitet und allein für diese besondere Nacht geprüft. Jetzt ist es soweit. Ihr könnt endlich hineingehen in das, was er euch bietet.« Ich bekam mit, wie Kruger in die Hände klatschte. »Kommt, steht auf. Hoch mit euch, laßt den Meister nicht zu lange warten!«
    Drei Jungen und ebenso viele Mädchen hockten in ihren Betten.
    Jetzt schwangen sie sich herum und glitten mit ihren nackten Füßen in die bereitstehenden Schuhe.
    Sie alle trugen die gleiche Kleidung. Nachthemden, die weiß glänzten und bis zu den Knöcheln reichten.
    Wie eingeklemmt lag ich unter dem Bett und hatte wieder Glück, daß der Junge, der aufstand, es zur anderen Seite hin tat und mich nicht entdeckte.
    Kruger wartete auf sie. Ich konnte nur die Füße sehen und bekam mit, wie sie sich aufstellten. Sie bildeten drei Zweierreihen, fast wie beim Militär.
    »Und nun kommt!« sagte Kruger. »Der Reverend wartet bereits am Eingang zum Paradies.«
    Wie auf ein Startzeichen hin setzten sich die sechs Kinder in Bewegung und gingen im Gleichschritt auf die offenstehende Tür zu, durch die sie verschwanden.
    Kruger wartete, bis alle im Gang waren, dann machte auch er kehrt und ging. Er schloß die Tür nicht einmal leise. Zurück blieb ich, eingeklemmt unter dem Bett.
    Tief atmete ich aus. Verflixt, das hätte auch ins Auge gehen können.

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