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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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an dem Stück Lorbeer hing noch ein Blatt. Die anderen Hölzer hätte er nicht benennen können, Polly und ihre Mutter jedoch wußten sicher genau, worum es sich handelte. Sie konnten die Hölzer an ihrer Farbe, ihrem Geruch, ihrer Maserung auseinanderhalten.
    Er lief die Treppe hinauf, machte schnell, da er wußte, daß Rita der Durchsuchung ein Ende machen würde, sobald sie für sie keinen Unterhaltungswert mehr hatte. Er blickte nach rechts und nach links, taxierte die Möglichkeiten, die ein Bad und zwei Schlafzimmer boten. Direkt vor ihm stand eine Truhe, auf der die wenig gefällige Bronze irgendeines priapischen, gehörnten männlichen Wesens thronte. Auf der anderen Seite des Flurs war ein Schrank, dessen Tür offenstand, unordentlich vollgestopft mit Bettwäsche und anderen Dingen. Sisyphosarbeit, dachte er. Er war auf dem Weg zu einem der Schlafzimmer, als Rita nach ihm rief.
    Er ignorierte sie, blieb an der Tür stehen und fluchte. Die Frau war wirklich der Gipfel der Faulheit. Seit mehr als einem Monat war sie im Haus und lebte immer noch aus ihrem gigantischen Koffer. Und was nicht gerade aus dem Koffer heraushing, lag auf dem Boden verstreut, über den Lehnen der beiden Sessel, am Fuß des ungemachten Betts. Der Toilettentisch unter dem Fenster sah aus, als sei gerade die Spurensicherung der Kriminalpolizei hier gewesen. Dosen und Töpfchen und Nagellackflaschen in sämtlichen Regenbogenfarben standen auf ihm zusammengedrängt, und das Ganze war überdeckt von einer dicken Schicht Gesichtspuder, der ihn an das Pulver erinnerte, das man zur Spurensicherung benützte. Halsketten hingen vom Türknauf und einem der Bettpfosten herab. Schals schlängelten sich zwischen herumliegenden Schuhen. Und das ganze Zimmer atmete Ritas charakteristischen Geruch: teils reife Frucht kurz vor dem Faulen, teils alternde Frau, die ein Bad nötig hatte.
    Flüchtig sah er die Kommode durch, ging weiter zum Schrank, kniete nieder, um unter das Bett zu schauen. Dort entdeckte er nichts als Flusen und eine schwarze Plüschkatze mit hochgestelltem Buckel und einem Wimpel am Schwanz, auf dem »Rita weiß und sieht alles« stand.
    Er ging ins Bad. Wieder rief Rita nach ihm. Er antwortete nicht. Er sah einen Stapel Handtücher durch, der ganz hinten in dem Regal mit Putzmitteln, Scheuerlappen, zwei verschiedenen Desinfektionsmitteln und einer Keramikkröte lag. Die Wand schmückte ein halbzerfetztes Poster irgendeiner jungfräulichen Schönheit von Typ Lady Godivas, die in einer Muschelschale stand und mit züchtiger Miene ihre Blößen bedeckt hielt.
    Irgendwo im Haus mußte etwas zu finden sein. Er spürte das mit der gleichen Gewißheit, wie er das wellige grüne Linoleum unter seinen Füßen spürte. Und wenn es nicht das Werkzeug war, so würde er die Bedeutsamkeit des Funds doch sofort erkennen, ganz gleich, was es sein würde.
    Er öffnete das Apothekerschränkchen und suchte zwischen Aspirin, Mundwasser, Zahnpasta und Abführmitteln. Er sah die Taschen eines Bademantels durch, der innen an der Tür hing. Er hob einen Stapel Taschentücher vom Wasserbehälter der Toilette, blätterte sie durch, legte sie auf dem Badewannenrand ab. Und dann hatte er es gefunden.
    Als erstes stach ihm die Farbe ins Auge: ein lavendelblauer Schimmer vor der gelben Badezimmerwand, hinter dem Spülkasten eingeklemmt. Ein Buch, nicht groß, vielleicht zwölf mal zweiundzwanzig Zentimeter, und dünn, mit zerschlissenem Buchrücken, so daß man den Titel nicht mehr lesen konnte. Mit einer Zahnbürste aus dem Apothekerschränkchen schob er das Buch hoch. Es fiel neben einem zusammengeknüllten Waschlappen mit dem Titel nach oben zu Boden, und einen Moment lang starrte er nur auf den Titel und genoß das Gefühl, seinen Verdacht bestätigt zu sehen.
    Zauberkraft der Alchimie: Kräuter, Gewürze und Pflanzen.
    Wieso hatte er geglaubt, der Beweis könnte ein Schäufelchen, ein Kultivator oder ein Werkzeugkasten sein? Hätte sie wirklich so etwas benützt, hätte sie so etwas überhaupt ihr eigen genannt, wie einfach wäre es gewesen, diese Dinge loszuwerden. Sie hätte nur irgendwo ein Loch zu graben und sie im Wald zu verscharren brauchen. Dieser schmale Band jedoch verriet die Wahrheit dessen, was geschehen war.
    Er schlug das Buch auf, las die Überschriften der einzelnen Kapitel und wurde mit jedem Moment sicherer. Zauber der Erntezeit, Planeten und Pflanzen, Magische Eigenschaften. Er blätterte weiter. Sein Blick fiel auf Gebrauchsanweisungen. Er

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