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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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las auch die angefügten Warnungen.
    »Schierling, Schierling«, murmelte er und blätterte hastig. Seine Gier, Genaueres zu erfahren, wuchs, und Informationen über den Schierling sprangen ihm entgegen, als hätten sie nur auf die Gelegenheit gewartet, seine Wißbegier zu stillen. Er las, blätterte, las wieder. Die Worte flogen ihm entgegen, glühten wie mit Leuchtschrift an einen Nachthimmel geschrieben. Und bei den Worten bei Vollmond hielt er schließlich inne.
    Er starrte darauf. Unvorbereitet traf ihn die Erinnerung. Nein, nein, nein. Wut und Schmerz schossen gleichzeitig in ihm hoch.
    Sie hatte im Bett gelegen, sie hatte ihn gebeten, den Vorhang weit aufzumachen, sie hatte zum Mond hinausgeschaut. Es war der blutig orangerote Herbstmond, eine riesige glühende Scheibe, zum Greifen nah. Der Erntemond, Col, hatte Annie geflüstert. Und als er sich vom Fenster abgewandt hatte, um ihr zu antworten, war sie ins Koma gesunken, das sie in den Tod geführt hatte.
    »Nein«, flüsterte er. »Nicht Annie, nein.«
    »Mr. C. Shepherd?« rief Rita von unten herauf. Herrisch, näher als zuvor. Sie schien an der Treppe zu sein. »Amüsieren Sie sich vielleicht mit meiner Unterwäsche?«
    Er nestelte an den Knöpfen seines Wollhemds, schob das Buch darunter, drückte es flach an seinen Magen und schob es in seinen Hosenbund. Ihm war schwindlig. Er warf einen Blick in den Spiegel und sah, daß sein Gesicht hochrot war. Er nahm seine Brille ab und drehte das Wasser auf, schöpfte das eisige Wasser auf sein Gesicht, bis dem Schmerz der Kälte Betäubung folgte.
    Er trocknete sich ab und betrachtete sein Spiegelbild. Er fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. Er musterte seine Haut und seine Augen, und als er bereit war, ihr mit Gelassenheit gegenüberzutreten, ging er nach unten.
    Sie stand am Fuß der Treppe und klatschte mit der Hand auf das Geländer. Ihre Armreifen klapperten. Ihr Doppelkinn schwabbelte.
    »Was suchen Sie hier, Mr. Constable Shepherd? Ihnen geht's doch nicht um Schuppentüren, und ein Freundschaftsbesuch ist das auch nicht.«
    »Kennen Sie die Tierkreiszeichen?« fragte er, noch im Hinuntergehen. Er war erstaunt, wie ruhig seine Stimme klang.
    »Warum? Wollen Sie wissen, ob wir zwei zusammenpassen? Klar kenn ich die. Widder, Krebs, Jungfrau, Schütze...«
    »Steinbock«, sagte er.
    »Sie sind Steinbock?«
    »Nein. Ich bin Waage.«
    »Ah, ein gutes Zeichen. Genau das Richtige für jemand in Ihrem Beruf.«
    »Waage ist Oktober. Wann ist Steinbock? Wissen Sie das, Rita?«
    »Natürlich weiß ich das. Was glauben Sie denn, mit wem Sie's hier zu tun haben, irgendeinem Penner auf der Straße? Steinbock ist Dezember.«
    »Wann?«
    »Fängt am zweiundzwanzigsten an. Warum? Ist die da oben im Verwalterhaus recht bockig?«
    »Nein, nein, es war nur so ein Gedanke.«
    »Ja, ich hab mir auch schon so meine Gedanken gemacht.«
    Sie manövrierte ihre wogenden Massen um die Ecke und watschelte in Richtung Küche davon. An der Tür zum Vorraum blieb sie stehen und winkte ihm mit wackelndem Zeigefinger. »Wir haben doch eine Vereinbarung«, sagte sie.
    »Eine Vereinbarung?« wiederholte er, und vor Schreck begannen ihm die Knie zu zittern.
    »Na, kommen Sie schon, Süßer. Nur keine Angst. Ich beiß nur Männer, die im Stier geboren sind. Geben Sie mir Ihre Hand.«
    Da fiel es ihm ein. »Rita, ich glaub nicht an...«
    »Ihre Hand.«
    Wieder wackelte sie mit dem Finger, fast wie eine böse Hexe diesmal.
    Er gehorchte. Sie blockierte schließlich den einzigen Zugang zu seinen Stiefeln.
    »Ah, eine hübsche Hand, wirklich.«
    Sie strich mit ihren Fingern über die seine und streichelte ganz leicht seine Handfläche. Sie hauchte eine kreisförmige Liebkosung auf sein Handgelenk. »Sehr schön«, sagte sie und schloß mit flatternden Lidern die Augen. »Ja, sehr schön. Eine Männerhand. Eine Hand, die auf den Körper einer Frau gehört. Wonnehände sind das. Die setzen das Fleisch in Brand.«
    »Das klingt mir nicht sehr nach Handleserei.«
    Er versuchte, ihr seine Hand zu entziehen. Aber sie hielt sie nur fester, umspannte mit einer Hand sein Handgelenk und hielt mit der anderen seine Finger ausgestreckt.
    Sie drehte seine Hand und legte sie auf einen der Fleischberge, die er für ihre Brüste hielt. Sie zwang seine Finger zu drücken. »Davon würden Sie gern mal kosten, was, Mr. Constable? So was haben Sie doch bestimmt noch nie probiert?«
    So unrichtig war das gar nicht. Sie fühlte sich nicht wie eine Frau an. Eher

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